scherbenpark
Wohnungsnummern durcheinander, und es braucht mehrere Korrekturen, bis er mir die richtige vorliest.
»Prima«, sagt er geduldig. »Ach ja, eine Bitte noch. Rufen Sie mich bitte an, falls Sie sich noch mal anders entscheiden sollten. Ja? Auf dem Handy. Sie haben ja die Nummer.«
»Ich werde mich nicht anders entscheiden«, sage ich. »Rufen Sie an, wenn Sie nicht mehr wollen.«
»Dann bis nachher«, sagt er kühl und legt auf.
Ich öffne meinen Schrank und werfe Unterwäsche, Jeans und Kapuzenpullover auf mein Bett. Ich stopfe alles, was passt, in meinen Rucksack, hole eine Zahnbürste aus dem Bad und drehe mich mehrmals um die eigene Achse, auf der Suche nach Sachen, die ich dringend brauchen könnte.
Aber ich brauche nichts. Um kurz nach fünf gehe ich in die Küche, wo es nach Pfannkuchen riecht und Maria über einer gusseisernen Pfanne wacht, aus der Rauch aufsteigt. Alissa steht auf dem Schemel und starrt in die Pfanne, als würde da gerade ein Zeichentrick laufen. Anton sitzt friedlich am Küchentisch und malt – ich sehe ihm über die Schulter – eine Reihe von tiefschwarzen Panzern, die in Flammen stehen.
»Maria«, sage ich, »schon mal was vom Dunstabzug gehört?«
»Was?« Sie dreht sich um und zieht den Kopf ein.
»Alissa«, sage ich. »Jetzt muss du dir das merken. Da oben ist ein Knopf, den sollte Maria vor dem Kochen drücken. Dann riecht nicht mehr die ganze Wohnung nach Fisch oder Blumenkohl oder verbranntenPfannkuchen. Wir sehen uns jetzt ein paar Tage nicht. Ich fahre zu einer Freundin.«
Maria würde es nie wagen, da noch Fragen zu stellen. Aber Alissa hat keine Hemmungen.
»Welche Freundin?« fragt sie und dreht mir ihr mit Marmelade verschmiertes Gesichtchen zu. »Hast du ne Freundin?«
»Ja«, sage ich. »Die wohnt in der Stadt. Ich besuch sie mal, das macht man so.«
»Wann kommst du wieder?« fragt Anton.
»Mal sehen«, sage ich. »Ich nehme mein Handy mit. Ruft an, wenn was ist.«
»Gut«, sagt Alissa. Maria scheint sprachlos.
»Die Pfannkuchen brennen an, Maria«, sage ich, und sie fährt herum, greift nach der Pfanne und schüttelt sie. Die Pfannkuchen fliegen hoch, drehen sich in der Luft um und fallen in die Pfanne zurück.
Maria hat viele solche Kunststücke auf Lager.
»Bring mich zur Tür, okay?« sage ich zu Maria. »Macht's gut, ihr Strolche. Wir sehen uns bald.«
»Ciao«, sagt Anton, und Alissa winkt mit einem Holzspaten. Maria folgt mir gehorsam bis zur Wohnungstür und starrt auf den Rucksack, der im Flur steht. Ihre Lippen bewegen sich.
»Hast du was gesagt?« frage ich freundlich.
»Ist es . . . « sagt sie kaum hörbar, »ist es wegen mir und Grischa? Mein Gott, Schätzchen, ich habe doch niemals gedacht, dass dir das so . . . Bitte, Sascha, tu mir das nicht an!«
»Mach doch bitte kein Theater, Maria«, sage ich streng. »Es ist alles in Ordnung. Ich fahr zu einerFreundin. Ich bin groß genug. Pass du auf die Kleinen auf. Lass sie nicht zu viel fernsehen, lies vor, kontrollier die Hausaufgaben, auch wenn du sie nicht verstehst, und lass die Kinder auch mal Obst essen.«
»Ich kaufe jeden zweiten Tag frisches Obst . . . «, beginnt Maria, aber ich bringe sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.
»Ruf wirklich an, wenn was ist.«
Sie guckt mich traurig an.
»Dass Grigorij nur dann kommt, wenn die Kinder nicht da sind, finde ich sehr gut, kapiert?«
Sie nickt so heftig, dass ihr Doppelkinn erzittert.
»Na dann ist ja alles klar. Bis bald.« Ich werfe mir den Rucksack über die Schulter.
»Saschaleinchen«, sagt Maria. »Es geht mich ja nichts an, aber . . . hast du wirklich eine Freundin?«
Ich sehe sie verständnislos an.
»Ich habe es mir ja schon gedacht«, sagt Maria und rückt näher, um mir in die Augen zu sehen. »Du hast ja was gegen Männer. Ist vielleicht auch besser mit Frauen. Hauptsache, man hat jemand.«
»Was?« schreie ich. »Es ist nicht so eine Art von Freundin! Ich bin doch nicht lesbisch! Leider nicht! Ich bin gar nichts!«
»Dann ist es vielleicht«, Marias Gesicht bekommt einen verschmitzten Ausdruck, »ist es vielleicht doch eher ein Freund?«
Ich denke einen Augenblick nach und nicke dann.
»Durchschaut«, sage ich. »Es ist ein Freund. Mach's gut.«
Und laufe die Treppe hinunter.
Um Viertel vor sechs biegt ein silbriger Audi in den Hof ein. Ich sitze auf einem Blumenkübel und versuche, mein Herzklopfen zu beruhigen. Ich springe runter, als ich das Nummernschild sehe.
Er steigt aus und wartet, bis ich näher
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