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scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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komme.
    »Hallo«, sage ich und lächle dümmlich.
    »Guten Abend. Sie wollen immer noch hier weg?«
    »Sonst hätte ich angerufen.«
    »Gut.« Er macht den Kofferraum auf. »Dann her mit Ihrem Gepäck.«
    Ich reiche ihm meinen Rucksack. Er wiegt ihn kurz in der Hand
    »Ist das alles?«
    »Ja.«
    »Gut.« Er macht mir die Beifahrertür auf. Es riecht schön in diesem Auto, nach neuem Leder und dezentem Rasierwasser.
    Er steigt ein. »Letzte Gelegenheit, abzuspringen«, sagt er ernst.
    Ich halte mich mit den Händen am Sitz fest.
    Er sieht das, deutet ein Lächeln an und dreht den Zündschlüssel. »Dann mal los«, sagt er.
    Wir schweigen fast die ganze Fahrt. Ich bemühe mich, nicht allzu oft in seine Richtung zu sehen. Ich sehe vor mich hin, während Häuser, Bäume und Laternen an mir vorbeirauschen. Das Auto gleitet leise und sanft über den Asphalt, aber ich halte mich immer noch mit beiden Händen am Sitz fest, als könnte ich hier rausfallen.
    Auf der Autobahn schaut er kurz in meine Richtung.
    »Schnall dich an«, sagt er.
    »Wie?«
    »Schnall dich bitte an.«
    Ich ziehe den Gurt raus und nestle ziemlich lange herum, bis er einrastet. Er schaltet das Radio ein, um sechs kommen die Nachrichten. Ich blicke verstohlen rüber – er sieht konzentriert nach vorn, die Hände liegen auf dem Lenkrad. Er hat große Hände und keinen einzigen Ring.
    In meinem Bauch breitet sich kitzlige Kälte aus.
    »Weißt du, wo Bad Soden ist?« fragt er, ohne mich anzusehen.
    »Nicht genau«, sage ich. »Irgendwo hier.«
    »Stimmt.«
    Drei Kilometer stockender Verkehr, sagt das Radio. Mir kommt es wie Musik vor. Es soll nicht aufhören.
    Ich lehne mich zurück und drücke den Nacken gegen das kühle Leder. Ich bin plötzlich furchtbar müde. Ein bisschen interessiert es mich, wer ihn – und mich – zu Hause erwartet. Aber auch nicht allzu sehr. Ich werde es früh genug erfahren.
    »Schau«, sagt er. »Frankfurt.«
    Ich blicke auf die Betonwüste rechts von der Autobahn, mit den herausragenden Silhouetten der Hochhäuser. »Ich weiß«, sage ich. »Schön.«
    »Was ist schön?«
    »Frankfurt. Ich mag Großstädte. Am schönsten ist es, wenn sie im Dunkeln leuchten. Das habe ich schon als Kind gemocht.«
    Und wieder schweigen wir.
    Ich schließe die Augen und versuche, nicht zu lächeln.Dann zucke ich zusammen, weil mich ein schrilles kratziges Geräusch erschreckt.
    »Die Scheibenwischer«, sagt er, als ich mich gerade setze. »Es regnet.«
    »Aber die Sonne scheint doch.«
    »Und es regnet.«
    Die Scheibenwischer verschmieren die staubigen Tropfen auf der Windschutzscheibe. Zwischen den grauen Wolken sind grelle aufgerissene Löcher, durch die der unwahrscheinlich blaue Himmel strahlt.
    »Meinst du, es gibt einen Regenbogen?« fragt er.
    »Nein«, sage ich. »Das wäre jetzt zu kitschig.«
    »Das ganze Leben ist kitschig«, sagt er. »Nichts als Kitsch und Klischees und Wiederholungen und geschmacklose Geschichten und Dialoge, die man aus jedem guten Drehbuch rauswerfen würde. Ein Regenbogen über der Frankfurter Skyline, wie wär das?«
    »Das ist einfach ein blinder Regen«, sage ich.
    »Wie?«
    »Blinder Regen. Kennen Sie den Ausdruck nicht?«
    »Nein.«
    »Das sagt man, wenn es regnet und gleichzeitig die Sonne scheint.«
    »Wo sagt man das?«
    »Bei uns. Kennen Sie das wirklich nicht?«
    »Nein. Nie gehört. Bei uns sagt man so was nicht.«
    Bald fährt er von der Autobahn herunter. Das Auto kurvt lange durch die Gegend, die mir überraschend ländlich vorkommt. Auf einer Wiese stehen Schafe, und ich wundere mich, dass sie über Nacht wohl draußen bleiben. Er schaut zu mir rüber, ein Mundwinkelfährt nach unten. »Es ist nicht sehr großstädtisch hier«, sagt er.
    »Ich sehe es.«
    Noch eine Kurve, es geht steil hoch, und am Hang zieht er ruckartig die Handbremse an.
    »Wir sind da«, sagt er. »Willkommen.«
    Ich stoße die Beifahrertür auf.
    Es ist ein großes Haus, das sich neben einigen anderen an den Hang schmiegt. Er hält mir die Pforte auf, und wir laufen die Treppe bis zur Eingangstür hoch. Links und rechts blüht es, dahinter breiten sich Wiesen aus.
    »Schön hier«, sage ich, obwohl mich keiner danach fragt.
    Der Hausflur ist dunkel und kühl. Ich streife mir die Turnschuhe von den Füßen.
    »Kannst du anlassen«, sagt er. »Der Boden ist kalt.«
    »Lieber nicht«, sage ich. Ich stehe in Socken vor dem großen Spiegel und versuche, nicht hinzusehen.
    Er hat meinen Rucksack über der Schulter hängen.
    Und

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