scherbenpark
Stücken von ihm abbröckelt.
Ich rolle über das ganze Bett, bis ich mich quer gegen das hölzerne Kopfteil drücke. Weiter kann ich nicht. Ich drehe mich von Volker weg und presse das Gesicht und die Hände gegen das kühle Holz.
Und dann lässt er mich los.
Als ich mir überrascht über die Schulter sehe, sitzt er da und reibt sich das Gesicht. »Es tut mir leid«, sagt er heiser. »Es tut mir so furchtbar leid. Bitte verzeih. Habe ich dich erschreckt?«
Ich löse mich vom Kopfteil und setze mich vorsichtig hin.
»Wieso erschreckt?« sage ich. »Ich bin nicht so schreckhaft.«
»Bitte verzeih«, sagt er. »Ich hätte es nicht tun sollen. Was für eine Nacht.«
Er klingt ganz entsetzt. Er hört gar nicht auf, sein Gesicht zu reiben und seinen Kopf mit den Händen zusammenzudrücken.
»Ist doch nichts passiert«, sage ich. »Ist doch alles okay.«
»Bitte verzeih«, wiederholt er, und langsam habe ich von seinen Entschuldigungen die Nase voll.
»Meine Güte«, sage ich. »Ist doch alles okay. Ich hab doch angefangen.«
»Ich hätte dich beinah . . . « sagt er und schaudert.
»Hättest du nicht«, sage ich ruhig. »Ich weiß, wie ich mich wehren kann.«
»Das weißt du?« fragt er und dreht mir sein weißes Gesicht zu. »Woher?«
»Volker«, sage ich müde. »Das willst du doch alles gar nicht wissen, oder?«
Er antwortet nicht.
Ich ziehe die Bettdecke unter mir hervor und decke mich zu. Angle mir das nächste Kissen und schiebe es unter den Kopf. Es ist eine Wonne, einfach so im weichen Bett zu liegen. Meine Mundwinkel fahren nach oben, ich kann es nicht unterdrücken, ein unpassendes, versonnenes Lächeln.
»Was hast du vor?« fragt Volker heiser.
»Ich will schlafen«, sage ich.
»Hier?!« Jetzt klingt er völlig fertig.
»Ja«, sage ich. »Du kannst dir sicher sein, dass ich in diesem Haus nicht allein schlafen werde. Hier passiert ständig was. Ist ja fast wie bei uns.«
»Und ich?« fragt Volker. »Wo soll ich hin?«
»Ist doch genug Platz«, sage ich. »Ich ziehe mich auch nicht aus, damit es keine Missverständnisse gibt.«
»Ich glaube, du spinnst«, sagt er.
Ich lächle in der Dunkelheit.
»Ich wette, du haust jetzt ab«, sage ich. »Ich wette, du traust dich nicht, weil du Angst vor mir hast.«
»Du hast schon verloren«, sagt Volker. »Gib mir bitte mein Kissen zurück. Ich schlafe sonst schlecht. Nimm dieses da.«
»Weißt du was, Volker«, sage ich, kurz bevor ich einschlafe.
»Was?« murmelt er, einen Meter weiter von mir entfernt.
»Ich dachte, ich wäre schon alt«, sage ich und gähne, weswegen der Nebensatz misslingt und ich ihn wiederholen muss. »Ich dachte, es gibt keine Unterschiede zwischen mir und Erwachsenen. Zwischen mir und dir zum Beispiel.«
»Hm-hm.«
»Und jetzt habe ich es kapiert. Wer alt ist, macht es anders als wir. Irgendwie in einem anderen Tempo. Ich bin noch nicht alt. Bei mir muss es ganz anders laufen.«
»Was?« murmelt Volker. »Wovon redest du überhaupt?«
»Von Sex«, sage ich.
»Was für schwierige Wörter«, sagt Volker. »Was für eine beschissene Nacht. Ruhe jetzt. Schlaf endlich.«
Aber ich bin bald wieder wach.
Volker hat eine Uhr im Schlafzimmer. Es ist sieben, als ich mich aufrichte. Ich bin aufgedreht und völlig zerschlagen zugleich. Es ist hell, das Gezwitscher der Vögel drängt durch das gekippte Fenster, die Sonne scheint auf Volkers Gesicht, das im Schlaf müde und grau aussieht.
Er liegt auf dem Rücken, den Mund halb geöffnet, die Gesichtszüge entspannt, eine Hand unterm Kopf. Ein nicht mehr ganz so junger Mann, an diesem Morgen sehe ich es ziemlich deutlich.
Irgendetwas nistet sich in mir ein und beginnt zu nagen und zu ziehen. Ein Gefühl, das ich kenne und hasse wie die Pest. Das Gefühl heißt Mitleid. Ich will nicht, dass Volker nachts mit Felix über die Autobahn rast, im Krankenhausflur wartet und dann allein heimfährt.
Wie kann man sich bloß von so jemandem scheiden lassen, denke ich. Von jemandem, der so grauhaarig ist und gut aussehend und edel und witzig. Wie kann man nur sein Kind zurücklassen, wo es so krank ist? Ein rothaariges Kind mit Sommersprossen und einem weißen Strich unter seinem Hemd?
Ganz einfach.
Dann fällt mir etwas ein, und ich springe auf, verfluche kurz meine Rücksichtslosigkeit, als Volker zusammenzuckt, und schleiche auf Zehenspitzen aus dem Schlafzimmer. Das Parkett unter meinen Füßen ist warm und glatt. Barfuß rutsche ich nicht aus. Ich renne in das Gästezimmer, dabei
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