scherbenpark
dreht die DVD mit »Gottes Werk und Teufels Beitrag« in den Händen. »Felix hat den Film früher geliebt«, sagt er. »Er war in dieses blonde Mädel da verschossen. In Charlize Theron. Weißt du, ob es noch aktuell ist?«
»Er hat sich in die andere verschossen«, sage ich. »In die Dunkelhaarige. Ich kann deine Frage nicht beantworten. Die Zeiten ändern sich so schnell und die Geschmäcker noch schneller.«
»Jaja«, sagt Volker und seufzt wie ein alter Mann.
»Felix wird enttäuscht sein, wenn du weg bist«, sagt er, ohne mich anzusehen. »Vermute ich mal.«
»Richte ihm schöne Grüße aus«, schlage ich vor.
»Das werde ich tun«, sagt Volker. »Und ich werde sagen, dass du zum Abschied geweint und sein Foto geküsst hast. Dass du sein verschwitztes Unterhemd als Andenken aus dem Wäschekorb geklaut hast. Nee, besser noch, dass ich dir das für viel Geld verkauft habe. Dass du von nun an das Telefon zu Hause bewachst. Er wird mich dafür hassen, dass ich dich habe gehen lassen.«
»Volker«, sage ich. »Du schmeichelst mir.«
Er streckt die Hand aus und fährt mir durch die Haare.
»Ich finde«, sagt er, »du hast ganz viel von deiner Mutter.«
Ich öffne die Wohnungstür und stelle meinen Rucksack ab. Es riecht nach Bratkartoffeln mit Zwiebeln. Ich liebe Bratkartoffeln mit Zwiebeln. Im Bad läuft das Wasser. Ich höre, wie Anton und Alissa gerade im Wohnzimmer streiten. »Arschficker, das war meine Karte«, brüllt Alissa. »Amöbe«, kontert Anton.
Ich kann nicht aufhören, dümmlich zu lächeln.
Und plötzlich werden sie ganz ruhig.
»Ich hab was gehört«, sagt Anton. »Hast du auch was gehört?«
»Ja«, sagt Alissa. »Oder nein.«
Ich rühre mich nicht. Ich kann sie nicht sehen, aber ich weiß genau, welche Gesichter sie gerade haben. Wie sie sich auf die Zehenspitzen stellen, sich die Hände geben und mit großen Augen im Gänsemarsch in den Flur schleichen. Alissa vorn, Anton ängstlich hinterher.
Schon geht die Tür auf.
Und dann höre ich es, ohrenbetäubend. Es ist wie ein Trommelwirbel, wie Standing Ovations bei einer sensationellen Premiere, wie der Jubel der Fußballfans nach einem besonders schönen Tor.
»SASCHA!!!« schreien sie und werfen mich um.
Ich habe den besten Notenschnitt des ganzen Jahrgangs. »Was für komische Noten«, sagt Maria. »Jetzt plötzlich diese komischen Punkte. immer 15 Punkte. Da flimmert es einem vor Augen. Warum nicht so einfach wie bei uns: von eins bis fünf. Du hättest dann lauter Fünfer. Man nennt es eine ›runde Fünferschülerin‹.«
»Selber rund«, sage ich.
Alissa springt mich von hinten an und hängt sich an meine Schultern.
»Wenn ich groß bin, will ich drei Babys haben«, sagt sie laut in mein Ohr.
»Schrei nicht«, sage ich. »Drei, das ist aber viel.«
»Ich will viel«, sagt Alissa. »Muss ich mich dann dreimal paaren?«
»Ei-ei-ei«, sagt Maria und wird tatsächlich ganz verlegen.
»Musst du nicht«, sage ich mit fester Stimme. »Du musst überhaupt nichts, was du nicht willst.«
»Kann ich auch ohne das Paaren Babys haben?«
»Ja«, sage ich. »Natürlich. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?«
»Das wusste ich«, sagt Alissa. »Gell, Maria, das wusste ich, dass es auch ohne geht. Muss ich dann aber jemanden küssen?«
»Nun«, sage ich. »Das musst du nicht, aber es schadet auch ganz bestimmt nicht.«
»Mal sehen«, sagt Alissa. »Ich küsse dann dich, okay? Oder Anton.«
»In Ordnung«, sage ich.
Abends klingelt es.
»Sascha«, ruft Maria. »Telefon!«
»Geh doch ran«, sage ich. »Grünen Knopf drücken.«
»Lieber du, Schätzchen.«
»Maria, ich lade mir gerade was runter!«
»Was?«
»Grünes Knöpfchen! Das schaffst du! Maria, du nervst!«
»Lieber du«, sagt sie aufrichtig verzweifelt, und ich springe vom Stuhl, stolpere über ein Kabel, reiße es dabei aus der Steckdose und greife mir den Hörer, der in Marias Händen blinkt und wimmert.
Ich weiß, wer es so lange läuten lässt.
»Hallo, Streberin«, sagt Felix. »Erklär mir Mathe. Ich verstehe gerade gar nichts.«
»Mail mir deine Aufgaben«, sage ich. »Ich werde sie mir ansehen.«
»Ich habe übrigens ein Gedicht für dich geschrieben«, entgegnet Felix darauf, als wären die Hausaufgaben mein Problem und nicht seins. »Weil du ja so eine Gebildete bist. Hör zu.« Er räuspert sich theatralisch und liest mit dunkler Stimme vor:
»Lass uns zusammen in der Küche sitzen,
Wo süßlich riecht das weiße Kerosin,
Lass uns die
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