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scherbenpark

scherbenpark

Titel: scherbenpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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es doch auch vorher schon. Allerdings«, er sieht mich von der Seite an, »schon lange nicht mehr so heftig.«
    »Vielleicht sollte er sich besser schonen«, sage ich ungelenk.
    Volker lacht wieder. »Armer Felix«, sagt er. »Ich werde es nicht schaffen, ihm das auszureden, was er machen will. Das ist mir noch nie gelungen, weißt du.«
    »Hör auf zu lachen«, sage ich. »Bitte. Ich kriege Gänsehaut davon. Das klingt mir zu gruselig hier.«
    Volker schüttelt ungläubig den Kopf. »Der kleine Felix«, sagt er. »Wer hätte das gedacht.«
    Mir gefällt weder sein Tonfall noch das Thema.
    In diesem Moment geht eine Tür auf. Ein kleiner Arzt mit dunkelbrauner Haut und kurzen schwarzen Haaren winkt Volker heran.
    Ich wachse auf meinem Sitz fest und spüre, wie mein Herz langsam, aber sicher in die Hose rutscht.
    Volker rüttelt an meiner Schulter. »Wo bist du gerade?« fragt er. »Du bist mir auch eine, immer wieder wie weggetreten. Felix ist auf der Station.«
    »Ist er wieder . . . ?«
    »So weit in Ordnung, ja. Er muss zur Beobachtung dableiben.«
    »Er hat doch gar nichts dabei.«
    »Das wird er mir auch sofort sagen. Komm, wir wünschen ihm Gute Nacht.«
    »Geht das?« frage ich ängstlich.
    »Ich denke schon. Komm.«
    Wir gehen ein Stockwerk höher. Dort sind die Wände noch weißer, und die Stille ist noch unheimlicher. Eine Wand mit lauter Türen, eine davon ist geöffnet, eine Krankenschwester winkt uns hinein.
    »Aber leise«, sagt sie.
    Wir betreten das Zimmer. Ich habe Angst vor dem, was wir jetzt sehen werden.
    Es sind zwei Betten darin. Im Bett am Fenster scheint jemand zu schlafen, auf dem Kissen liegt ein dunkelhaariger Kopf. Im anderen Bett sitzt Felix und funkelt Volker wütend an. Ich kann es kaum glauben, dass er so lebendig und überhaupt nicht mehr blau aussieht. Erst später sehe ich ein Kabel unter seinem T-Shirt hervorblitzen und zu einer beängstigenden Maschine neben dem Bett führen.
    »Ich will heim«, sagt er.
    »Du bist doch kein kleines Kind mehr«, sagt Volker.
    »Was soll ich hier?« zischt Felix.
    »Sie wollen dich beobachten.«
    »Das wollten sie letztes Mal aber nicht.«
    »Letztes Mal bist du ihnen auch nicht beinah unter den Händen weggestorben«, sagt Volker hart.
    Felix macht den Mund auf und wieder zu.
    Er sitzt auf der Decke, in der Hose, die ich für ihn aus dem Schrank gerissen habe, und dem T-Shirt, in dem er geschlafen hat, gegen meinen Rücken geschmiegt. Er sieht aus, als würde er gleich aufspringen wollen. Die eine Hand ist zur Faust geballt. An der anderen steckt der Zeigefinger in einer Art Wäscheklammer, die Felix mit einem weiteren Gerät verbindet.
    »Ich komme sofort morgen früh«, sagt Volker. »Wir. Wir kommen morgen früh.«
    »Ich habe gar nichts da. Keine Zahnbürste, keinen Computer, keinen Schlafanzug, nichts.«
    »Ich werde dir alles morgen bringen.«
    »Ich will aber sofort.«
    »Abrakadabra, Felix will es sofort. Mist. Siehst du, es klappt heute nicht.«
    »Hör auf mit deinen blöden Sprüchen.«
    Ich drücke mich gegen die Tür. Ich komme mir ganz überflüssig vor.
    Aber als ich mich bewege, nimmt mich Felix zur Kenntnis. Er sieht mich an, und in seinem Gesicht steht maßlose Enttäuschung.
    »Jetzt schlaf mal eine Runde«, sagt Volker. »Wir fahren heim und schlafen auch. Das wird uns allen ganz guttun.«
    Felix blinzelt deprimiert. Er sieht mich immer wieder an, sagt aber nichts. Ich verstehe nicht, was er mirmit seinen Blicken mitteilen will. Hoffentlich denkt er nicht, dass ich hier bei ihm übernachten könnte.
    Volker drückt die Türklinke herunter.
    »Vier Uhr«, sagt er und gähnt. »Was für eine Nacht. Zieh dich aus und schlaf endlich. Bist doch schon ein großer Kerl.«
    »Blödmann«, flüstert Felix.
    Dann habe ich den Verdacht, dass Volker vor mir rausgehen will, damit Felix Gelegenheit hat, mir etwas unter vier Augen zu sagen. Ich will aber merkwürdiger weise gar nichts hören.
    »Schlaf gut«, sage ich schnell. »Bis morgen.«
    Und bücke mich und gleite unter Volkers Arm in den Flur.
    Er holt mich an einer Glastür ein.
    »Wo willst du hin?« fragt er gutmütig. »Das ist die falsche Tür.«
    Ich drehe mich um und laufe an seiner Seite ins Freie.
    Draußen atme ich gierig die frische Luft ein.
    »Was für eine Nacht«, wiederholt Volker. »Guck mal. Sterne.«
    »Ja«, sage ich. »Ganz schön viele.«
    Die Rückfahrt vergeht wie im Traum. Das sanfte Schaukeln macht mich schläfrig.
    Volker schaltet den CD-Player ein. »Dido«,

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