Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Sie war sicher gut situiert – und sie vermisste ihr Au-pair-Mädchen Runa Dalby aus Norwegen. Kurz zuckte Irmi innerlich zusammen. Gerade hatte sie das Land verlassen, und nun wurde eine Norwegerin vermisst? Runa studierte laut Frau Dr. Strissel in Tromsø Kunstgeschichte und hatte jetzt ein Auslandssemester in München eingelegt.
»Wir benötigen eigentlich kein Au-pair, die Kinder sind schon zwölf und fünfzehn«, sagte Uschi Strissel. »Aber eine liebe Bekannte, eine Dozentin von Runa, hat mich gebeten, sie bei uns unterzubringen. Die derzeitige Wohnsituation in München übersteigt ja doch die finanziellen Möglichkeiten einer jungen Frau aus dem Ausland. Runa kam, sah und siegte, möchte ich sagen. Ein reizendes, sehr intelligentes Mädchen. Wenn ich sie als Au-pair bezeichne, trifft es das nicht so ganz. Runa ist ein Parttime-Gast. Drei Tage pro Woche verbringt sie in München an der Uni, und einen Tag jobbt sie in einem Museum in Schwangau. Wenn sie bei uns ist, bringt sie meinem Sohn Norwegisch bei, und er verbessert ihr Deutsch, das ohnehin schon sehr gut ist. Sie geht mit den Hunden Gassi und hilft, wo es eben was anzupacken gibt. Wirklich ein patentes Mädchen!«
»Und jetzt ist sie verschwunden?«, fragte Irmi vorsichtig.
»Das weiß ich nicht. Runa wollte in München bei einer Kommilitonin bleiben und von dort direkt nach Schwangau fahren. Dort ist sie aber nicht angekommen. Das Museum hat mich angerufen. An ihr Handy geht Runa auch nicht. Sie ist sehr zuverlässig und hat mich eigentlich immer darüber informiert, was sie tut. Verstehen Sie mich?«
Irmi nickte. »Was ist das für ein Museum?«
»Verzeihen Sie, dass ich ein bisschen konfus bin. Runa arbeitet im Museum der Bayerischen Könige in Schwangau.«
Na, da kenne ich weit konfusere Menschen, dachte Irmi und bot Frau Strissel erst mal einen Kaffee an.
»Runa jobbt am Ticketcounter und auch im Museumsshop. Ihr Englisch ist nahezu perfekt, sie darf auch Führungen machen, und das ist für sie als angehende Kunsthistorikerin natürlich hochinteressant.«
»Und Sie sagen, Runa hat ihren Dienst dort nicht angetreten?«
»Nein, und ich kann sie nicht erreichen. Ich meine, sie ist erwachsen, kein Kind mehr. Aber junge Frauen … Verzeihen Sie, ich versuche positiv zu denken …«
Irmi lächelte sie mitfühlend an. »Haben Sie ein Foto dabei?«
Frau Strissel fördert eines zutage, das zwei Jungen zeigte, vermutlich ihre beiden Söhne, und ein hübsches Mädchen, eine Skandinavierin wie aus dem Bilderbuch. Blonder Pferdeschwanz, blaue Augen, attraktive Kurven und ein Lächeln, das einen sofort einnahm. Sogar aus dem Bild heraus strahlte sie.
»Was für ein Handy hat Runa denn?«, erkundigte sich Irmi. »Ist es ein Smartphone?«
Frau Dr. Strissels Auge zuckte kurz. »Sie haben einen Verdacht? Sie wissen etwas?«
»Bitte beantworten Sie meine Frage, Frau Dr. Strissel.« Irmis Stimme klang ganz sanft.
»Ja, es ist ein Smartphone. Welches Modell, weiß ich nicht, da müssten Sie meinen Sohn fragen. Was wissen Sie? Bitte sagen Sie es mir.«
Irmi wechselte einen kurzen Blick mit Kathi. In solchen Fällen waren sich die beiden Kolleginnen auch ohne Worte einig.
»Könnten Sie uns einen Kamm, eine Bürste oder eine Zahnbürste von Runa Dalby zur Verfügung stellen?«, wandte sich Irmi dann wieder an Frau Strissel.
»Sie wollen DNA abgleichen? Warum?«
Es hätte keinen Sinn gehabt, um den heißen Brei herumzureden. Und Irmi war es ein Anliegen, die Menschen in ihren Ängsten und Bedürfnissen ernst zu nehmen. »Wir haben zwei Brandopfer, die noch nicht identifiziert sind«, sagte sie leise.
Frau Strissel schlug die eine Hand vor den Mund. Dabei stellte Irmi fest, dass auch ihre Ringe nicht so aussahen, als stammten sie aus einem Modeschmuckladen in der Münchner Fußgängerzone, sondern eher wie Unikate vom Goldschmied.
»Hatte Runa vielleicht Kontakt zu einer jungen Rumänin, die hier als Pflegekraft gearbeitet hat?«, fuhr Irmi fort.
»Ja, Ionella hieß die. Runa hat sie ein paarmal mitgebracht. Hatte kaum Zeit, das arme Ding. Sie hatte ja nie frei. Moderne Sklaventreiber sind das, diese Bauersleute! Aber warum wollen Sie das wissen?«
»Es wurden zwei Tote weiblichen Geschlechts gefunden, die bis zur Unkenntlichkeit verbrannt sind.« Irmi schluckte.
Wieder zuckte das Auge, und die attraktive Lady sah nun doch so aus, als sei sie eher in Irmis Alter. »In der Zeitung war die Rede von einem Brand in Unterammergau. Da stand aber nichts
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