Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Noch immer lag der Brandgeruch in der Luft, das dunkle Skelett reckte sich in den blauen Himmel, schwarzbrauner Matsch war auf der Nordseite zu einem See gefroren. Ein apokalyptisches Bild.
Daneben lag das alte Bauernhaus, das nicht eben klein war. Unterammergau war weiland ein sehr reiches Dorf gewesen, manche sagten sogar, das reichste Dorf Oberbayerns. Das hatte man der Wetzsteinindustrie zu verdanken. Irmi hatte mal gelesen, die Ugauer hätten schon hundert Jahre vor Einführung der Schulpflicht in Bayern ihre Kinder das Lesen und Schreiben gelehrt. Wahrscheinlich hatte man aber nur die Buben mit Bildung erfreut, denn wer Wetzsteine bis nach Budapest flößte und verkaufte, der musste eben auch rechnen können. Die Mädels blieben daheim, und ohnehin hatte bei Frauen damals nicht Klugheit gezählt, sondern Tugendhaftigkeit, Fruchtbarkeit und ein Haus mit vielen Fenstern, das eine große Mitgift versprach. Glück hatte, wer in eine der angesehenen Familien einheiraten konnte. Und wenn die Leiter der Wetzsteingenossenschaft von ihren Reisen zurückkamen, hatten sie häufig neue Ideen im Gepäck. Nein, Ugau war kein verschlafenes Bauernkaff unterm Pürschling. Ihre Bewohner waren immer schon ein spezielles Völkchen gewesen. Nicht umsonst hatte Irmi sie »Gallier« genannt.
In diesem Moment trat eine Frau mit einem Kübel Küchenabfällen aus dem Wohnhaus. Als sie das Auto der beiden Kommissarinnen sah, blieb sie abwartend stehen.
»Das ist Rita Schmid, die eine Schwiegertochter«, sagte Kathi leise zu Irmi, bevor sie ausstieg und auf die Frau zuging.
»Frau Schmid, grüß Gott«, sagte sie. »Wir kennen uns ja bereits. Das ist meine Kollegin Irmi Mangold.«
Die Frau mochte in Irmis Alter sein. Sie hatte ein Vollmondgesicht, wirkte ansonsten aber sehr dünn. Dennoch umgab ihre Hüften ein wabbliger Rettungsring. Das war das Perfide am Altern: Selbst bei eiserner Disziplin setzte das Fett irgendwo an, wo der Körper die Problemzone ausgerufen hatte.
»Dürfen wir kurz reinkommen?«, fragte Kathi.
Frau Schmid nickte. Irmi erhaschte einen kurzen Blick auf die Stube, wo ein sehr alter Mann in einem Lehnstuhl am Kachelofen schlief. Fast auf Zehenspitzen gingen sie in die Küche, wo die Frau die Tür hinter ihnen zuzog. Irmi musste in sich hineinlächeln: Auch hier lag das Linoleum, das sie früher gehabt hatten, und wie bei ihnen trat schon das Jutegewebe hervor. Die Einrichtung war ebenfalls in die Jahre gekommen. Irmi kannte kaum einen Bauernhof, in dem die Küche wie in diesen Landstylemagazinen aussah, die wie Pilze aus dem Boden schossen und »Landluft« oder »Geliebtes Land« hießen. In den meisten Küchen herrschte eher Landfrust als Einrichtungslust.
Rita Schmid bereitete ihnen Kaffee in einer modernen Pad-Maschine zu, die sich in dem übrigen Ambiente eher fremd ausnahm.
»Gibt es was Neues?«, fragte Frau Schmid in patzigem Ton, als sie am Tisch saßen.
»In der Tat. Wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass die eine Tote mittlerweile als Ihre Pflegerin Ionella Adami identifiziert wurde. Wir bräuchten die Kontaktdaten der Angehörigen in Rumänien«, sagte Irmi und warf Kathi einen Blick zu. Sie waren sich einig gewesen, ihren Verdacht, was die Norwegerin betraf, lieber nicht zu erwähnen.
Rita Schmid schwieg und sank auf einen Stuhl.
»Geht es Ihnen gut? Soll ich ein Glas Wasser …?«, fragte Irmi.
»Das ganze Dorf red scho. Dass des die Ionella war. Und jetzt is sie’s echt?«
»Ja, echt«, erwiderte Kathi in scharfem Ton. Bei Frau Schmid schien der Dorfklatsch das Wichtigste im Leben zu sein.
»Und warum sie da drin war, des wissts aa?«
»Nein, das wissen wir nicht. Aber Sie vielleicht?«
»Naa, woher denn? Anständige Leit sind nachts im Bett. Im eigenen. Alloa.« Sie stutzte kurz. »Schämen muass ma sich. Oiwei die Polizei am Hof!«
Einen besonderen Schmerz schien Frau Schmid ja nicht zu empfinden. Irmi ärgerte sich, versuchte aber möglichst neutral zu klingen. »Im Zusammenhang mit den beiden Todesfällen sind wir auf der Suche nach einer Katze.«
»Woas?«
»Nach dem Brand soll auch eine Katze gefunden worden sein«, meinte Irmi.
»Das Mohrle, ja. Das war die Schwester vom Peterle. Und das Peterle flackt da oben. « Sie stand auf und deutete auf ein Regal neben der Tür, in dem ein Korb stand. Darin lag eine kleine schwarze Katze, ein Katzenkringel im Tiefschlaf, die sich die eine Pfote über den Kopf gelegt hatte. »Scheiß Viecher. Die g’hören nach draußen, ned in d’
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