Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
sind an den Gärgasen verstorben, das steht fest. Also nicht etwa am Rauchgas. Sie waren mausetot, als es losging.«
»Also sind sie ahnungslos ins Silo gestiegen oder hineingefallen oder auch hineingeworfen worden?«
»Eins davon, ja. Und eines der Opfer ist eindeutig Ionella Adami.«
Irmi riss die Augen auf. »Das ist sicher?«
Er sah sie wieder tadelnd an. »Todsicher. Wie alles, was ich mache.«
Irmi schluckte. »Und was wissen Sie von der toten Katze?«
»Auch nur, dass ein Feuerwehrler sie gefunden hat, dem Ganzen aber wenig Bedeutung beigemessen und das tote Vieh deshalb irgendwo abgelegt hat. Diese Minderbemittelten!«
Eigentlich hätte er nun theatralisch rufen müssen: Ich kann so nicht arbeiten! Tat er aber nicht.
»Wo genau wurde die Katze denn gefunden?«
»Tatsächlich auch in dem Silo. Zwei Tote mit Katze.«
Zwei Tote mit Katze, das klang wie ein schräger Buchtitel, dachte Irmi. Plötzlich fiel ihr wieder der norwegische Reim ein: Ingen doktor kunne hjelpe, for tippehøne var død. Zwei tote Hühnchen im Silo. Mit Katze. Sie riss sich zusammen.
»Wir reden also von einem Unfall? Die Annahme wäre dann, dass die Frauen tatsächlich die Katze aus dem Silo retten wollten.«
Der Hase sah Irmi zum ersten Mal in die Augen und brach mit seiner professionellen Distanz. »Mir kommt das merkwürdig vor. Zwei Tote in einem Silo. Eine davon eine junge Pflegerin. Und dann geht alles in Flammen auf. Seltsamer Unfall. Aber ich habe nichts gesagt. Mein Job ist es, die Fakten herauszufieseln.«
»Ja, und dafür danke ich Ihnen. Fürs Fieseln. Sehr sogar.«
Der Hase sah Irmi mit gerunzelter Stirn an und verschwand. Irmi sah ihm hinterher. Seltsamer Unfall. Eben.
Ehe sie mit Kathi das Büro verließ, brachte sie die Kollegen auf den neuesten Stand. Andrea bekam den Auftrag, die Angehörigen in Rumänien zu verständigen – jetzt, da man wusste, wer die Tote war. Sie sollte außerdem bei Frau Dr. Strissel das Material für den DNA -Abgleich abholen und im Labor Druck machen, dass man die Identität der zweiten Toten möglichst bald entschlüsselte. Irgendwie wünschte sie sich, dass es nicht die Norwegerin sein möge. Weil das Mädchen so herrlich aus dem Foto herausgelacht hatte. So jung, so offen, so überbordend vor Lebensfreude. Aber dann wäre eine andere Frau das Opfer, und das wäre für deren Angehörige genauso schlimm. Jeder war irgendeines Menschen Sohn oder Tochter.
4
Immer wenn Irmi den Ettaler Berg hinauffuhr – und das hatte sie in ihrem Leben nun wahrlich oft genug getan –, wurde er länger. Die letzte Kurve hätte ihrem Empfinden nach deutlich früher kommen müssen. Doch irgendwann tauchte das Schild schließlich auf, das den Ettaler Sattel ankündigte. Auf über neunhundert Metern, wo es ein Mehr an Winter gab und ein Mehr an Schatten. Jedes Mal, wenn sie vorbeifuhr, schien das Kloster gewaltiger zu werden und die Berge ihm näher zu rücken.
Wollte man der Legende Glauben schenken, dann sollte ein Pferd am Bau dieses Klosters schuld gewesen sein. Als Kaiser Ludwig von Bayern 1330 aus Rom zurückkam und schließlich vom Loisachtal herauf den beschwerlichen Weg über den Kienberg genommen hatte, kniete sein Pferd angeblich dreimal nieder, woraufhin der gute Ludwig wusste, dass er hier ein Kloster stiften wollte. Wahrscheinlich hatte der Gaul einfach nur Hunger gehabt, der Sattel hatte gedrückt, oder er hatte sich hinlegen wollen – was für eine alberne Idee, deshalb eine solche Anlage mitten zwischen die Berge zu klatschen!
Am Kolben liefen die Skilifte, und wie am Steckenberg in Unterammergau bliesen auch hier die Schneekanonen. Es hatte unter null Grad, die Saison konnte noch lange dauern, doch der Winter hatte sich in den letzten Jahren als wankelmütig erwiesen und Frau Holle nicht gerade als Tourismusbeauftragte. Die sparte zu Weihnachten an Schnee und streute ihn dafür zu Ostern üppig aus, wenn man ihn wirklich nicht mehr gebrauchen konnte.
Als sie nach Ugau abbogen und langsam durch die Dorfstraße tuckerten, musste Irmi zugeben, dass der Ort wirklich so anmutig und schön war, dass man ihn in jeden Bildband über Bayern hätte aufnehmen können. Zwei große Dorfbrände hatten den Ort im 17 . und 18 . Jahrhundert zerstört, doch man hatte ihn wiederaufgebaut und so ein einheitliches Gebäudeensemble geschaffen. Am Hof der Schmids zuckte Irmi unwillkürlich zusammen. Brandruinen waren nichts für Bildbände, in ihrer schwarzen Endgültigkeit wirkten sie bedrohlich.
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