Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
genuschelt haben und den Namens des Stiers, den sie wollten. Er hat die Nachrichten aber immer entschlüsselt und hat bis zu fünftausend Besamungen im Jahr gemacht. Bloß an den kirchlichen Feiertagen war a Ruh, hat er immer gesagt.« Sie lächelte wehmütig.
Irmi schwieg. Renate Schmid schien es gutzutun, einfach mal mit jemandem zu reden.
»Er konnte das so herrlich erzählen, wie sie ihm in der Ausbildung eine Gebärmutter vom Schlachthof auf den Tisch geknallt haben, um zu demonstrieren, was man da drinnen so fühlt. Er war auch gut in seinem Metier. Er hat immer gewusst, wenn eine Kuh rindrig ist. Besser als der Tierarzt.«
»Sie mögen ihn sehr, oder?«
»Ach, irgendwie hat er mich fasziniert. Diese Energie. Dieser Optimismus. Natürlich ist er vielen Leuten auf die Füß getreten, aber mit Charme.«
»Und Burgi? Wie geht man als Ehefrau mit so einem ewigen Stenz um?«
»Ach, die Burgi! Sie hat mir immer so leidgetan. Nie hat sie aus ihrer Haut herausgekonnt. Stets korrekt. Stets mit Putzfimmel. Ständig diese Wenns und Abers und was man alles nicht dürfe wegen der Leut. Sie hatte anscheinend ganz gut Geld, als die beiden geheiratet haben, damals nach dem Krieg.«
»Also keine Liebesheirat?«
»Ich weiß nicht. Sie können den Menschen ja immer nur vor die Stirn schauen. Ich glaube, er hat seine Burgi geliebt. Und die letzten Jahre hat er für all seine Sünden gebüßt.«
»Inwiefern?«
»Na ja, er ist ungeheuer reizend zu ihr. Zumindest war er das, solange sie noch einigermaßen bei Verstand war. Wie ein Kavalier der alten Schule hat er sich verhalten. Hat zum Frühstück extra ein Sakko angezogen. Hat ihr den Stuhl hingestellt und ihr Kaffee eingeschenkt. Sie mit kleinen Gesten umsorgt. Ihr Küsse auf die Stirn gegeben. Eigentlich rührend.« Sie schluckte.
»Eigentlich?«
»Die Burgi konnte das nicht mehr zulassen. Es war, als würde sie sich mit ihrer Ablehnung für die Schmach der ganzen vergangenen Jahre rächen. Bestimmt hat er sie immer wieder betrogen, aber wenn man gemeinsam so alt wird, dann müsste man doch verzeihen können, oder, Frau Mangold? Manches passiert eben. Da muss man doch verzeihen! Manches passiert doch einfach!« Ihre Stimme klang auf einmal intensiv, beinahe flehentlich.
Das Verzeihen war in der Tat eine der schwersten Lebensaufgaben, dachte Irmi, behielt diesen Gedanken aber für sich.
»Das habe ich damit gemeint, dass er seine Sünden hundertfach büßt. Und er muss zuschauen, wie die Burgi langsam verfällt.«
»Wie lange geht es ihr denn schon so schlecht?«
»So eine Demenz kommt schleichend. Anfangs haben wir das nicht gemerkt. Plötzlich mochte sie keine Semmelknödel mehr und hat uns beschimpft, wie wir so was servieren könnten. Dabei hat sie Semmelknödel immer geliebt. Ihr Bett stand plötzlich falsch, es hatte angeblich ein Leben lang woanders gestanden. Wir haben uns halt gedacht, die Burgi wird allmählich etwas wunderlich. Irgendwann hat der Arzt dann Demenz diagnostiziert. Das war vor vier Jahren, und es geht rapide abwärts.«
»Und seit wann haben Sie die Pflegerinnen?«
»Seit etwa anderthalb Jahren. Davor haben wir versucht, die Pflege zusammen zu übernehmen. Markus und ich hätten die beiden auch zu uns genommen, aber der Xaver will auf seinem Hof sterben.«
»Ach, das ist ja interessant. Ihr Neffe hat gemeint, Sie hätten die Schwiegereltern nicht aufnehmen wollen!«
»Wissen Sie, der Thomas ist knapp dreißig, lebt zwischen Mamas Waschmaschine, Stammtischen und Stadelfesten. Der hat keinerlei Verantwortungsgefühl. Woher will der das überhaupt wissen!«
»Wie war es denn wirklich?«, mischte sich jetzt auch Kathi ein.
»Die Rita wollte nicht, dass wir die Schwiegereltern zu uns nehmen.«
»Warum denn nicht?«, fragte Irmi zweifelnd.
»Sie hat gedacht, wir würden dann als Dankeschön den alten Hof erben. So was Lächerliches. Es gibt doch eine Erbfolge, es gibt Pflichtteile. Das weiß jeder.«
»Das heißt, Rita war auf den alten Hof aus?«
»Natürlich. Denen steht das Wasser bis zum Hals. Wenn es nach ihr ginge, würden die Alten ins Heim gehen, der Hof würde möglichst bald verkauft, und sie würden ausgezahlt werden.«
Hatte Rita deshalb Feuer gelegt? Und zwei Frauen im Silo übersehen? Es war schon spät, aber Irmi war hellwach. Da passte doch irgendwas nicht.
»Ich würde gern noch mal auf die jungen Pflegerinnen zurückkommen. Wie sind die denn mit den Schwiegereltern zurechtgekommen?«
»Unterschiedlich. Wollen Sie
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