Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)
Nebel.«
»Wusste jemand, dass Sie so ein Ding in Ihrer Tenne hatten?«
Der Alte sah aus dem Fenster und schwieg. Irmi verabschiedete sich, zog die Tür hinter sich zu und ging den Gang hinunter, wo eine Frau mit Rollator entlangging. In das Netz ihres Gehwagens hatte sie einen ganzen Zoo von Plüschtieren gepackt. Sie brabbelte Unverständliches und schrie plötzlich laut auf. Von irgendwoher kam eine Pflegerin gelaufen.
»Frau Jörg, jetzt plärren S’ doch ned so. Des weckt ja Tote auf. Gehn S’ besser frühstücken. Für den Tony«, sie wies auf ein abgewetztes Äffchen, »gibt’s a Banane.«
Die alte Frau schlurfte weiter.
»Die Frau Jörg hatte eine Landwirtschaft. Dass die Viecher weg sind, das versteht sie nicht«, sagte die Pflegerin zu Irmi und verschwand in einem Zimmer.
Als Irmi wieder im Auto saß, setzte leichter Schneeregen ein. Nebel zog auf, ja, es gab viel Nebel in dieser Welt. Sie blieb eine Weile sitzen und zog das Foto von Runa heraus. Forschte in deren Gesicht nach einer Ähnlichkeit zu Xaver Schmid. Er hatte blaue Augen – sie auch, aber das hieß gar nichts.
Auf dem Weg in die Polizeiinspektion fuhr sie bei Frau Dr. Strissel vorbei. Niemand öffnete. Irmi starrte lange das Haus an, als könnte es eine Geschichte erzählen. Dann kurvte sie wie in Trance den Ettaler Berg hinunter. Sie hätte gar nicht sagen können, ob er diesmal kurz oder lang gewesen war.
Im Büro angekommen, bat sie Kathi zu sich und begann zu erzählen. Vom Gespräch mit dem Pfarrer, vom Besuch bei Xaver Schmid – und davon, dass sie im Prinzip noch immer nicht wusste, was hinter dem Mord an den beiden jungen Frauen stand.
Kathi hatte zugehört, ohne Irmi zu unterbrechen. Sie hatte lediglich ein wenig gelächelt, als irgendwann der Name Jens fiel.
»Und was meint Jens dazu?«
»Jens?«
»Ja, Jens. Du weißt schon, der Typ, der ziemlich cool ist für sein Alter und gar nicht so schiach. Mit dem du von Zeit zu Zeit in die Kiste steigst. Der Jens. Was meint der?«
»Dass ich tun muss, was ich eben tun muss. Oder so ähnlich.«
»Siehst du. Dem schließe ich mich an. Wir fahren noch mal ins Museum zur schlauen Frau Direktor. Und wir suchen ein Testament. Einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus haben wir ja schon, wir haben ihn bloß noch nicht genutzt, weil wir bei Markus Schmid mehr als fündig geworden sind.«
Irmi betrachtete Kathi. Sie war unglaublich zahm und hatte nicht mal wegen ihres Alleingangs gemault.
»Bist du auf Drogen? Hast du Baldriantee getrunken?«, fragte Irmi grinsend.
»Nein, ich bin über dreißig. Allmählich stellen sich Weisheit und Milde des Alters ein.«
Sailer hatte kurz den Kopf hereingestreckt. »Bevor Sie weise werden oder mild, werd i vorher Bundeskanzler oder Astronaut, Fräulein Kathi«, bemerkte er.
»Ich vergess die Milde gleich, wenn Sie noch ein einziges Mal Fräulein zu mir sagen!« Aber selbst das klang versöhnlich.
Als Sailer draußen war, sagte Irmi: »Jetzt hab ich’s: Du hattest besänftigenden Sex.«
Kathi grinste. »Die Dame schweigt und genießt.«
Es war seltsam. Auf einmal lag eine Leichtigkeit in der Luft, obwohl der Tag so schwer begonnen hatte.
Während Irmi und Kathi durchs Außerfern und Reutte nach Schwangau fuhren, hing der Nebel weiterhin über dem weiten Tal. Aus dem Museum kam gerade eine größere Gruppe von Asiaten mit Mundschutz und dicken Wollmützen. Dafür waren die Schühchen filigran.
Die Museumsdirektorin ging gerade durch die Eingangshalle. Als sie die Kommissarinnen erspähte, schien sie ehrlich erfreut zu sein.
»Wie ist das Referat Ihrer Tochter gelaufen?«, erkundigte sie sich bei Kathi.
»Hervorragend. Ich glaub, das war die erste Geschichtseins in ihrer Karriere. Und sie hat Blut geleckt. Im Moment liest sie die Jugenderinnerungen der Irmingard von Bayern und ist erstaunt, dass es doch gar nicht so einfach war, Prinzessin zu sein. Sie war sehr betroffen von den Geschichten aus den KZ s und will jetzt noch mehr Bücher über die Familie lesen.«
Es war merkwürdig, dachte Irmi. Plötzlich nahm Geschichte so viel Raum ein. Forderte Gedankenräume. Sogar beim Soferl.
»Das freut mich. Die Jugend hat weit mehr Gespür, als wir ihr manchmal zutrauen. Aber deshalb sind Sie nicht da, oder?«
»Nein«, sagte Irmi, »dürften wir Sie noch mal kurz in Beschlag nehmen?«
»Sicher.« Sie ging voran, hinüber in das Restaurant Alpenrose, wo es Kaffee und Wasser gab.
»Ich möchte unbedingt helfen, den Tod des Mädchens oder,
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