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Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition)

Titel: Scheunenfest: Ein Alpen-Krimi (Alpen-Krimis) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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würde nichts lieber tun, als dich in Nordnorwegen zu treffen. Ich glaube, es gibt nichts Schöneres, als wenn das blaue Licht davondämmert und der Himmel seine Laserstrahlen herabschickt.«
    »Doch!«
    »Was?«
    »Dich unter dem Nordlicht zu küssen.«
    Irmi lächelte und fühlte sich so viel besser.
    Morgen würde sie Xaver Schmid besuchen. Sie hatte nichts zu verlieren, und so emotional instabil war Schmid sicher auch nicht, dass er ein Gespräch mit ihr nicht vertragen hätte. Anna Maria hatte angedeutet, dass er andere Leute durchaus manipulierte. Er war eben immer noch ein Schlitzohr.

9
    Irmi registrierte, dass sie schon wieder in ihre alten Fehler verfiel. Es war früh am Tag, und sie war allein unterwegs. Eigentlich hätte sie Kathi anrufen und mitnehmen müssen. Aber sie fuhr ohne Kathi nach Oberammergau, und im Büro hatte sie sich auch nicht abgemeldet. Die beiden Gespräche am Vorabend waren so aufwühlend gewesen, und sie konnte die vielen Gedankenschnipsel noch nicht in klaren Sätzen formulieren. Sie wollte ihren Leuten aber mehr bieten als reine Spekulation und versprach sich von Xaver Schmid weitere Informationen.
    Kathi hatte ihr mal vorgeworfen, sie benehme sich wie ein Mann. Sie lasse niemanden an ihrem Lösungsweg teilhaben, sondern präsentiere einfach die Endergebnisse. Sie hätte einfach zu viel Testosteron, hatte die Kollegin gemeint. Ob das stimmte, vermochte Irmi nicht zu sagen, aber ihr war einfach nicht danach, lange Lösungswege offenzulegen und auf Zwischenfragen einzugehen.
    Das Altersheim in Ogau lag noch im Schatten. Irmi fragte sich zu Xaver Schmid durch. Er war in der Kurzzeitpflege untergekommen und lag in seinem Bett, als sie ins Zimmer trat. Auf dem Nachttisch stand das Frühstück, das er anscheinend gar nicht angerührt hatte.
    »Keinen Hunger?«, fragte Irmi.
    »Ich hab dir Backfisch doch grad schon gesagt, dass ich nichts ess«, schimpfte er.
    »Danke für den Backfisch, aber ich fürchte, Sie verwechseln mich mit Ihrer Frühstücksmamsell.«
    Er sah Irmi an, und es war ihm anzusehen, dass er sie nicht recht einordnen konnte. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. »Die Frau Polizeirat. Du bist aus meiner Sicht auch noch ein Backfisch.«
    »Sagen Sie ruhig Irmi. Wie geht’s Ihnen hier?«
    »Ich wurde hergezwungen. Von dieser boanigen bösen Rita. Ich bleib nur, bis es daheim nicht mehr so sehr brandelt. Ich sterb in meinem Haus. Sonst nirgendwo.«
    »Ach, Herr Schmid, für Sie ist es doch noch gar nicht an der Zeit. Der Himmelpapa hat sicher noch was mit Ihnen vor. Wollten Sie nicht vorher zum Beispiel noch Ihre Enkeltochter kennenlernen?«
    Er blinzelte. »Wen? Das Annerl oder die Vroni? Die kenn ich genug.«
    »Nein, Ihre Enkelin aus Norwegen.«
    Er schwieg.
    »Herr Schmid, der Herr Pfarrer war bei mir. Er hat mir erzählt, dass Sie im Krieg in Norwegen waren.«
    »So, hat er das?«
    »Hat er. Sie waren bei der Marine?«
    Er lächelte. »Ja, unter anderem als Funker. Wir waren auf der Bäreninsel. Wenn es einen verreckten Ort auf der Welt gibt, dann den. Nebel, nichts als Nebel. Nebel drückt vom Meer herein. Nebel drückt aus den Felsenbergen heraus. Ein verreckter Ort für verreckte Burschen.«
    »War da überhaupt jemand außer Ihnen?«
    »Der Engländer halt.«
    Irmi wartete.
    »Drei Burschen in unserem Alter. Wir mit Gewehren auf die zu. Die mit Gewehren auf uns zu. Überall Nebel. Ohne Gewehr konntest du nie hinaus, auch wegen der Eisbären. Die Tommys waren nette Burschen. Warum hätten wir uns gegenseitig abknallen sollen? Stattdessen haben wir einen Nichtangriffspakt für die Insel geschlossen und gemeinsam das Wetter gefunkt. Es war immer nur Nebel. So viel Nebel.«
    »Sie waren aber auch auf dem Festland, oder?«
    »Ja, nachdem das Schiff in der Mitte durchgebrochen war.«
    »Wo waren Sie denn dann?«
    »Honningsvåg. Alta. Wollen Sie wissen, wie es wirklich war, Frau Polizeirat?«
    »Gern.«
    »Es war die Vorhölle. Alle hatten Filzläuse, Sie wollen gar nicht wissen, wo genau. Man glaubt gar nicht, mit wie wenig Waschen man auskommt. Aber am schlimmsten waren die U -Boot-Besatzungen dran. Das war dann die Hölle.«
    Irmi wartete. Ihr Herz klopfte, und sie fühlte sich auf einmal schuldig. Schuldig, weil sie ihren Vater nie nach seinen Kriegserlebnissen gefragt hatte. Schuldig, weil sie vom Geschichtsunterricht in der Schule so genervt gewesen war, dass sie dichtgemacht hatte. Die NS -Zeit war Schulstoff geblieben und damit völlig abstrakt. Erst seit

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