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Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition)

Titel: Schick einen Gruß, zuweilen durch die Sterne: Eine Geschichte von Liebe und Überleben in Zeiten des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orlando FIGES
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Tisch, Stühle und Bettzeug auf dem Fußboden für ihre Söhne. Als Lew und Sweta eintrafen, hatten sich die beiden Jungen in Marias Bett gelegt, weshalb die beiden sich in dem anderen Zimmer niederließen. »In jener Nacht schliefen wir überhaupt nicht«, sagte Sweta. Lew fügte hinzu: »Erst als wir allein waren, nur wir beide, als wir nichts mehr zu befürchten hatten und die beiden Jungen schlummerten, konnten wir uns freier fühlen, uns nach Herzenslust küssen und umarmen und so weiter. Aber … mehr möchte ich nicht sagen.« Was Lew nicht preisgeben wollte, wurde später von Sweta ergänzt: »Ich fragte ihn: ›Möchtest du?‹ Er dachte nach und erwiderte: ›Aber was würde danach geschehen?‹«
    Lew und Sweta verbrachten gemeinsam zwei Nächte in Marias Haus. Tagsüber, während er im Kraftwerk arbeitete, blieb sie dort und spielte mit Marias Jungen. Am zweiten Abend wagten sich Lew und Sweta jedoch hinaus, um Strelkow in seinem Labor zu besuchen. Mehrere von Lews Freunden kamen herbei, um Sweta zu begrüßen.Sie waren voller Bewunderung für diese junge Frau, die so viel für die Reise zu ihnen riskiert hatte. Alle gaben ihr Briefe, die Sweta mitnehmen und für sie verschicken sollte.
    Am folgenden Tag schmuggelte jemand (sie konnte sich nicht mehr erinnern, wer) Sweta hinaus. Dann ging sie allein zum Bahnhof und wartete im Saal neben dem Fahrkartenschalter, der nur kurz vor der Ankunft eines Zuges geöffnet wurde. Mit dem Kopf in den Händen auf ihrem Koffer sitzend, schlief sie vor Erschöpfung ein und erwachte erst, als der Zug auf dem Gleis stand und alle anderen bereits eingestiegen waren. Sweta packte ihre Sachen, kaufte sich eine Fahrkarte und rannte zum Zug. Das Abteil, für das ihre Fahrkarte galt, war bereits voll, doch man gestattete ihr, »in irgendeinen Sanitätswaggon, der völlig leer war«, zu gehen. Sie legte sich auf eine Bank und schlief wieder ein.
    In Koschwa – es war bereits spätnachts – wachte sie auf. Sie ging zu Lew Israilewitschs Haus und schlief dort bis zum Morgen. Vor ihrem Aufbruch machte Lew Israilewitsch zwei Aufnahmen von Sweta als Souvenir für Lew. Das eine Foto zeigt sie auf einem Korbstuhl vor einer Decke sitzend, die Israilewitsch nach Art eines Studiohintergrunds aufgehängt hatte; auf dem anderen verlässt sie, im Mantel und mit Gepäck, das Haus.
    Aus Koschwa schickte Sweta folgenden Brief an Lew:
     
Lew, mein Schatz, ich bin noch in Koschwa. Gestern Abend gab es keinen Direktzug, aber heute werde ich versuchen, mir eine Fahrkarte für einen von ihnen zu besorgen. L. J. [Israilewitsch] wird Dir morgen von meiner Abreise erzählen. Alles ging glatt … Ich schlief am Bahnhof [in Petschora] und auf der Reise [nach Koschwa]. Um Mitternacht traf ich bei I[srailewitsch] ein und rüttelte ihn so sanft wie möglich wach. Und dann schlief ich weiter bis zum Morgen und wachte kein einziges Mal auf.
   Vorläufig fühle ich mich gut. Ich vergieße kein Wasser aus den kleinen Löchern, durch die ich hindurchschaue. Vielleicht weil alles noch einem Traum gleicht. Ljowenka, gestern habe ich vergessen G. J. [Strelkow] mitzuteilen, dass ich A[lexandrow]-skaja [Maria]nicht zu Hause vorfand. Richte es ihm bitte aus … Lew, dank allen noch einmal in meinem Namen. Ich bin nicht fähig, meine Gefühle mit Worten auszudrücken, doch vielleicht werden sie mich trotzdem verstehen.
   Alles Gute, mein Liebling. Ich küsse Dich noch einmal zum Abschied. L. J. [Israilewitsch] bereitet eine Überraschung für Dich vor – im Moment ist es noch ein Geheimnis.
     
    Lew schrieb am selben Tag an Sweta:
     
Meine reizende Sweta, sogar das Wetter ist heute aus der Fassung geraten. Der Wind peitscht, und am Morgen hat es gehagelt; alles ist so düster und elend. Ich warte auf meinen Namensvetter – vielleicht kommt er morgen früh. Und natürlich mache ich mir Sorgen … Heute habe ich bis 9 Uhr ein wenig mit Gleb [Wassiljew] geplaudert. Wir tranken Tee. Alle waren bei Strelkow, und als er hinausging, legte ich [ Herbsttag ] 22 in einen Glasrahmen, hängte ihn über Strelkows Bett und setzte mich dann darunter, um Dir Glück zu wünschen …
   Nikolai [Lilejew] wollte heute Abend kommen. Oleg [Popow] wird wahrscheinlich ein bisschen später auftauchen, aber ich möchte allein sein.
     
    Lew wartete mit Spannung auf die Nachricht, dass Sweta erfolgreich zurückgekehrt war. Es bestand ein beträchtliches Risiko, dass sie unterwegs verhaftet wurde. »Meine reizende, herrliche

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