Schicksal des Blutes
muss erst den Körper wechseln. So ’ne Fliege lebt ja nicht lange und stirbt mir noch während der Schlussszene einfach so weg und dann wäre ich nicht dabei, wo ich doch jetzt dazugehö…“ Ich lege mir affektiert den langen Saugrüssel auf die Brust und falle stumpf und mause… ähm fliegentot auf die Seite. Ich warte. Da nichts weiter passiert, flattere ich auf. „Okay, okay, die Dramatik wirkt in dieser Gestalt wohl nicht. Ich sag’s ja die ganze Zeit!“ Mann, bin ich nervös. „Ähm, wenn es mich in ein lahmes Vieh haut, lass ich dir eine Info zukommen. Dann musst du Taxi spielen.“
„Klar. Ich ruf alle zusammen. In zwei Stunden auf Sams Hausboot. Kennst du das?“
„Die Fickbude, klar.“ Jonas lacht auf und verschwindet.
Ich sehe ihm hinterher und seufze leise. Körper und Mann sind ja leider schon vergeben.
~ ~
Amy legte das Smartphone auf den Küchentresen und barg ihr Gesicht in den Händen ihrer aufgestützten Arme. „Wann nimmt dieser Tag endlich ein Ende?“, murmelte sie halb benommen vor Müdigkeit und Kummer. Dennoch befahl sie ihrem Körper, sich vom Hocker zu erheben, sich frisch zu machen und sich umzuziehen.
Die Polizei hatte auf ihren Notruf hin Brandon Evans sofort in Gewahrsam genommen. Sie tätigte die Aussage, er hatte ihr Leben bedroht, und durfte gehen. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, dass ihre verstörten, unzusammenhängenden Auskünfte von vor über fünfzehn Jahren ihren Vater schlussendlich überführt hatten. Dabei hatte sie im Internat kaum etwas von seinen kriminellen Machenschaften mitbekommen, bis er wegen Rechtsterrorismus verurteilt worden war. Zum Glück hatte Nyl eingegriffen, sonst hätte es böse geendet. Das Schlottern ihrer Knie hatte aufgehört, doch an dem Schock würde sie noch eine Weile zu kauen haben.
Amy verließ das Penthouse und stieg in ein Taxi, das sie zu Samanthas Hausboot brachte. Sie fühlte sich viel zu durcheinander, um selbst zu fahren oder an einem Treffen teilzunehmen, aber die Zeit drängte. Sam hatte sie nachdrücklich gebeten, vorbeizukommen. Auch sie hatte wichtige Informationen für alle. Sie wollte sich nicht darauf verlassen, dass Ny’lane zu Jonas ging, um ihm Bericht zu erstatten, also musste sie so rasch wie möglich ihr Wissen mit den anderen teilen.
Amy ballte eine Faust und streckte die Finger, ballte eine Faust und wieder von vorn. Wie konnte dieser Hurenbock ihr unterstellen, sie hätte erst vor Kurzem mit einem Mann geschlafen? Zum Donnerwetter! Das war Monate her und sowieso geschützt und wäre sie schwanger, dann stände sie kurz vor der Geburt und hätte nie in die Jeans gepasst. Ganz zu schweigen von ihrer regelmäßigen Periode. Mieser Dreckskerl.
Amy lief über den breiten Steg bis zum luxuriösen Hausboot. Die Tür öffnete sich, bevor sie geklopft hatte und Sam fiel ihr um den Hals. Ein Schwall von Fragen, besorgten und glücklichen Ausrufen, traf sie, während Sam sie herzlich knuddelte. Kaum bekam sie Luft, hörte sie Fires Bellen und schon sprang er an ihre Brust und hätte sie vor Freude umgerissen, wenn Cira sie nicht von hinten gestützt und umarmt hätte. Das freudige Hallo und die begeisterten Rufe wollten kein Ende nehmen und Amys Herz gedachte, vor Glück zu zerspringen. Cira ließ sie nicht mehr los, als wäre sie fünf Jahre weggewesen, Timothy, Jonas und sogar Greg herzten sie und alle redeten lachend durcheinander.
„Kommt endlich rein ins Wohnzimmer“, rief Sam und verschwand in der Küche. Kerzen beleuchteten den gemütlichen Raum, zauberten ein wohliges Flackern auf die Gemälde. Sam stellte eine Buffet-Platte auf den Tisch zu den Erfrischungen. „Greift zu.“ Sam lachte. „Also, die etwas davon haben. Cira gebührt der Dank.“ Sie schenkte Getränke aus. Timothy betrachtete Sam liebevoll und in dem Moment fiel es Amy auf.
„Timothy, deine Stirn!“, sie sprang auf und umarmte beide gleichzeitig. Sam hatte ihr erzählt, dass Timothys Fluch verschwinden würde, sobald er sich auf ewig verband. „Ach wie schön, ihr habt euch vereinigt. Das Schwarz des Totenkopfes ist schon ganz blass, man sieht ihn kaum noch. Oh, ich freue mich so für euch!“
Sam und Timothy lächelten sich spitzbübisch verliebt an. Timothy legte sanft seine Hand auf ihre Schulter und neigte den Kopf. „Danke, Amy.“
„Guten Abend zusammen.“
Amy blickte in Richtung des Flurs, in dem Ny’lane stand. Gewandet in einen schwarzen, bodenlangen Mantel. Er schien frostige Kälte mitgebracht
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