Schicksal des Blutes
die Verbindung der drei Sternringe gab mir die Kraft, zu überleben.“ Sie sah alle der Reihe nach mit ihrem typisch sanftmütigen Gesichtsausdruck an und die Stimmung beruhigte sich. „Jonas hat Diandro durch sie verloren. Ich denke, wenn wir Lilith nicht trauen, sollten wir aber Jonas vertrauen.“
„Danke, Ciramaus. Und bevor ihr total ausflippt, einige mehr, einige weniger, erzähle ich euch, warum ich überhaupt hier bin. Verzeihen gehört zu einer guten Freundschaft dazu und ich denke, danach fällt es euch leichter.“ Lilith strahlte in die Runde. „Ich war über 650 Jahre lang der Handlanger von Nephilim. Das ist der Name und auch die Wesensbezeichnung des Engels da oben“, begann Lilith zu erklären, während sie sich durch das Büffet fraß und alles, was sie nicht mochte, auf einen Teller spuckte, der sich rasch füllte. „Meine Aufgabe war es, für ihn eine Menschenfrau zu finden, die ihm eine Tochter schenkt. Klingt irre leicht, ist es aber nicht.“ Lilith sah von einem zum anderen. Ernst und abschätzend. „Ich berichte euch nun, was niemand außer mir weiß, also hört gut zu. So vor 10.000 Jahren schickte Nephilims Gottvater all seine Söhne als Sterbliche auf die Erde, weil sie sich entgegen seiner Anweisung frevelhaft mit Menschenfrauen vergnügt hatten. Nach und nach starben sie, logo, und der Gottvater weinte 2.000 Jahre lang. Die Sintflut um 7.000 v. Chr. ist wohl jedem ein Begriff. Die Tränen brachten das Schwarze Meer zum Überlaufen, ganz einfach. Der Gottvater verschonte nur einen einzigen seiner Söhne – unseren, jetzt ziemlich nervigen, Nephilim. Doch er belastete ihn mit einem Fluch, weil auch er gesündigt hatte. Nur alle 700 Jahre darf Nephilim für sieben Tage auf die Erde herab, um seine Triebe mit Menschenfrauen zu befriedigen. An diesem 1. Mai war es wieder einmal so weit.“
Amy schnappte nach Luft. Ihr Blick streifte Ny’lane, obwohl sie es zu vermeiden versuchte. Er war blass geworden. In Yohaness’ Manuskript stand die Wahrheit. Lilith sprach weiter und Amy zwang sich, das Nachdenken auf später zu verschieben.
„Um 1.310 n. Chr. nahm ich den Job bei Nephilim an, Menschen zu besetzen, um in seinem Auftrage nach einer Frau für ihn zu suchen, die ihm eine Tochter gebären konnte. Denn, und jetzt kommen wir zum Clou überhaupt, der Fluch verbannte Nephilim nicht nur in den Himmel, nein, es war ihm auch unmöglich, weibliche Nachkommen zu zeugen. Die Menschenfrauen brachten immer und immer und immer wieder nur Söhne zur Welt. Die ganzen 7.000 Jahre lang.“
Der Engel war einsam, sehnte sich nach Liebe und einer Familie. Aber berechtigte ihn das, alle 700 Jahre Frauen zu ermorden? Aus Rache? Warum tat er das nur?
„Nun, ich hatte schon lange keinen Bock mehr auf den exzentrischen Engel, und als ich die Macht des Ringes in Lex-Vaun spürte, begann ich, meine eigenen Pläne zu schmieden, mir endlich einen eigenen Körper zu suchen. Lexis letzte Worte galten Cira Jane Anderson, seiner Nachfolgerin. Und die suchte ich dann auch auf.“
„Um mich umzubringen“, ergänzte Cira platt, „bevor ich den verschollenen Sternring von Lex-Vaun erhielt.“ Amy hatte Mühe, den Mund geschlossen zu halten.
„Nun ja, leider. Als ich wegen Jonas nicht an Cira herankam, erzählte ich Nephilim, Cira sei seine für ihn bestimmte Frau, die ihm eine Tochter schenken kann.“
„Deshalb war er hinter mir her, bis Jonas mich zum Vampir machte“, sagte Cira.
„Genau, Schatz. Tut mir echt leid.“ Lilith legte den Kopf schräg. „Und seitdem ist mein Ex-Boss Nephilim eben ziemlich sauer. Auf seinen göttlichen Alten, auf seine Misserfolge, auf Jonas, auf alle Frauen, die in seinen Augen versagen und ganz besonders auf mich. Ich vermute, er wird am siebten Tage völlig durchdrehen, wenn es dieses Mal wieder nicht klappt.“
„Was nicht klappt?“, fragte Amy, ohne nachzudenken.
Lilith lachte auf, aber es klang nicht erfreut. „Na, ist doch sonnenklar. Am 1. Mai kommt er mit Getöse auf die Erde und vergnügt sich mit unzähligen Menschenfrauen. Er ist ein Engel und hat einen wundervollen, männlichen, muskulösen Astralkörper, soweit mal absolut klar. Sechs Tage bumst er sich sozusagen von Kontinent zu Kontinent, um so viele wie möglich zu beglücken. Am siebten Tag kommen alle Engelchen zur Welt und er wird erneut feststellen müssen, es sind nur Söhne. Dann rastet er aus, bringt sie und auch die Frauen um … Dieses Mal wird es in einer Apokalypse enden.
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