Schicksal des Blutes
Darauf wette ich.“
Amys Blick verschwamm. Sie bewegte die Lippen, aber sie konnte nicht sprechen. Ein finsteres Kribbeln rieselte ihr über den Kopf, über den Hals hinab, betäubte sie, wie die Erkenntnis. Der Engel hatte sie in der Nacht zum 1. Mai besucht. Sie war schwanger von ihm und Ny’lane hatte das Baby in ihr gewittert. Ihre Sicht trübte sich, schwarzes Pech lief ihr über die Augen.
Ny’lanes aschfahles Gesicht tauchte vor ihrem auf und er fing sie, als sie ohnmächtig zusammensackte.
~ ~
Um nichts in der Welt würde er wieder von Amys Seite weichen.
Vor allem, weil sich die Dämonin weiterhin auf dem Hausboot aufhielt. Steif wie ein Brett stand er an Samanthas Bett und überprüfte Amys Pulsschlag. Am liebsten hätte er sie berührt, doch noch wusste er nicht, inwieweit Amy die komplexen Zusammenhänge verstanden hatte. Ahnte sie, dass er nur eifersüchtig und enttäuscht gewesen war, weil er dachte, sie wäre von einem anderen Mann schwanger? Würde sie ihm verzeihen? Ungestüm fuhr er sich über den kratzigen Schädel. Sein Magen drehte sich. Ihm war schlecht vor Machtlosigkeit. Gott, wie hatte es geschehen können, dass Amy einen von Nephilims Engeln austragen sollte? Nyl ballte die Fäuste. Er hätte es verhindern müssen, irgendwie. Sie schwebte in Lebensgefahr und er war davon mehr denn je überzeugt, weil sich Liliths Aussage mit der aus dem Manuskript und seinen Recherchen aus den Jahren 611 und 1311 deckte.
„Verdammt!“, knurrte er und rieb sich die brennenden Augen. Amy erwachte bald. Sie mussten sich schleunigst etwas einfallen lassen, vielleicht konnten sie die Katastrophe doch noch abwenden. Sie mussten es! Amy durfte nicht sterben.
Er wirbelte herum, als die Tür zum Schlafzimmer mit einem Ruck aufflog. Jonas preschte wie ein Güterzug herein und stieß ihm mit beiden Händen unerwartet vor die Brust. Er fiel unkontrolliert nach hinten auf Amy, sprang erschrocken augenblicklich auf und ging seinerseits auf Jonas los. „Bist du völlig bescheuert? Amy ist …!“
Jonas boxte ihm mehrmals ins Gesicht. Sein Genick knackte. Er ballte nur die Fäuste an den hängenden Armen, ließ die Prügel und die Vorwürfe über sich ergehen. Die längst fällige Abrechnung. Nyl registrierte, wie die anderen den Raum betraten, und die Schläge verebbten, als Cira etwas zu Jonas sagte.
Amy glitt aus der Bewusstlosigkeit und Sam und Cira setzten sich zu ihr ans Bett. Die Dämonin witterte er an der Tür im Hintergrund. Jonas schlug einen vernünftigen Ton an, der ihn reizte, ihm die Zähne einzuschlagen, doch er senkte nur den Kopf. Es war gut. Auch Amy sollte hören, was Jonas zu wissen verlangte. „Du hast recht, Jonas. Mein Gedankenteppich hat dir gezeigt, was 1945 geschah, als wir uns zum ersten Mal begegneten. Ich folgte dem Blutgeruch, fand dich in entkräftetem Zustand, nahm all dein Blut und ließ dich zum Sterben liegen.“
„Heiliges Kanonenrohr! Ich dachte, ihr seid wie Brüder!“, quiekte Lilith auf.
Jonas musterte ihn kalt. Ny’lanes Herz verkrampfte sich, doch er zeigte seine Regung nicht. „Ich bin süchtig“, fuhr er fort. „Zu der Zeit lotete ich, wie du es einst tatest, meine Grenzen aus, hungerte und streunte durch die Nacht. Blut von einem Reinblüter wie dir konnte ich unmöglich widerstehen. Ich trank es ohne Reue, bis beinahe zum letzten Tropfen und jagte weiter.“ Es war Nyl, als spürte er, wie sich die Herzen seiner Freunde von ihm abwendeten. „Nachdem ich irgendwo und irgendwann das leckere Elixier von zwei Frauen zu mir genommen hatte, bemerkte ich, dass der Geschmack deines Blutes mir immer noch auf der Zunge lag.“
Jonas stieß ein schockiertes Keuchen aus.
„Ich war kein gläubiger Vampir wie meine Familie. Eigentlich glaubte ich an gar nichts, aber in dem Moment wusste ich, es musste ein Zeichen sein. Du, Jonas, warst mein Schicksal, meine Rettung. Vormals hatte ich von dem Mythos gehört, es gäbe bestimmtes Blut, das den Vampirkörper niemals verlässt. Dem schenkte ich keinen Glauben, doch nun passierte es mir am eigenen Leib und ich hatte dich zum Tode verurteilt. Ich musste dich retten. Es war fast das stärkste Bedürfnis, das ich je verspürt habe. Ich fand dich in den allerletzten Lebenszügen. Deine tiefe Schnittwunde an der Seite ließ sich nicht ohne Weiteres verschließen … Es gab Augenblicke, in denen ich glaubte, du würdest es nicht schaffen.“ Nyl versagte die Stimme.
Jonas nickte einige Male, bevor er den
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