Schicksal des Blutes
Beton. Seine Flügelspannweite ist beeindruckend. Er klappt sie hinter seinem Rücken zusammen und kommt auf mich zu. Die Engelin freut sich, mir ist angst und bange.
Nephilim kniet mit einem Bein vor uns nieder und neigt das blonde Haupt. Seine voluminöse Stimme ist brüchig, seine Worte sanft wie eine Liebkosung. „Mein Herz! Du bist endlich geboren. Bitte lass mich dir meine grenzenlose Liebe schenken.“
Er schaut auf. Tränen schwimmen in seinen blauen Augen und mir bricht es fast das Herz. Wir sind in der Lage, seinen Jahrtausende alten Fluch zu brechen.
Plötzlich reißt es uns zu Boden. Qualvoll bohren sich skalpellscharfe Krallen und Reißzähne in Hals, Lunge und Herz. Schock und Schmerz treffen mich unvorbereitet. Noch nie verspürte ich so etwas am eigenen Leib.
~ ~
Amy konnte kaum glauben, was sie sah. Der männliche Engel aus ihren Träumen war zur Erde herabgeschwebt. Er würdigte sie keines Blickes, nur eins schien für ihn zu existieren – das Engelskind. Sein großer, athletischer Körper glitt auf seine Tochter zu. Er kniete sich demütig nieder und sprach mit ihr, bis Ny’lane sie aus dem Hinterhalt angriff und in seine Gewalt brachte. Alles geschah blitzschnell.
Amy hielt vor Schreck den Atem an. Nyl durfte dem Mädchen nichts tun! Er wusste doch, weshalb. Durch seine Blutgabe spürte sie Nyls Wut, als wäre es ihre eigene.
Ny’lane bleckte die Reißzähne unmittelbar am Hals des Engelskindes. „Du bekommst deine Tochter, Nephilim. Aber ich schwöre dir, ich töte sie, wenn du nicht sofort den magischen Schutzbann vom Heiligtum der Wesen nimmst. Außerdem verlange ich, dass du die Erde für immer verlässt und nie wieder Frauen missbrauchst!“
Der kräftige Engel erhob sich und streckte die imposanten Flügel aus. Seine goldbraunen Muskeln schimmerten. Er demonstrierte seine Überlegenheit, rührte sich aber nicht von der Stelle. Nein, er neigte sogar den Kopf, als er mit Ny’lane sprach, als bereute er das Leid, das er verursacht hatte. „Der Bann auf der alten, heiligen Bibliothek ist bereits gelöst. Ich werde niemals wiederkommen, sofern meine Erretterin mich als ihren Mann erwählt.“
Nephilim richtete seinen erwartungsvollen Blick auf die junge Frau, die ruhig in Ny’lanes Klauen hing. Sie war so zierlich, wirkte so zerbrechlich. Amy schluckte hart.
„Willst du ihn?“, fragte Nyl barsch.
„Es ist mein gottgegebenes Schicksal. Für diese Vereinigung wurde ich erschaffen und ich wünsche mir nichts sehnlicher“, antwortete sie mit feiner, klarer Stimme.
Amy seufzte erleichtert auf. Sie wurde Zeugin einer vorherbestimmten Prophezeiung. Die Liebe zwischen den Halbgöttern fühlte sich wahrhaftig an. So seltsam es auch klingen mochte, weil sie sich zum ersten Mal begegneten und sie eigentlich seine Tochter war. Aber was verstand sie vom Gottsein? Amy lächelte und nickte Ny’lane zu. Das Drama sollte rasch ein Ende finden.
„Ich könnt ja noch ganz krass mein Veto einlegen …“
„Lilith?“, knurrte Ny’lane überrascht. Er wechselte einen Blick mit Amy.
„Och menno! Wie hast’n du mich so schnell erkannt?“
Amy rutschte das Herz in die Hose. Die vorlaute Körperdämonin musste in den jungen Engel gesprungen sein. Sie wandte sich kurz um. Die grauhaarige Oma lehnte an einer Mauer. Amy legte all ihre Hoffnung in ihre Stimme. „Lilith, bitte …“
„War doch nur ein Scherz“, kicherte Lilith ausgelassen. „Als wenn ich hier noch was zu melden hätte.“
Nephilim schien das Geplänkel ebenso wenig zu stören wie die brennenden Gebäude oder die panischen Menschen. „Mein Fluch ist mit meiner göttlichen Erbin, die mich zum Mann wählte und mir Töchter schenken wird, erloschen. Mich zieht nichts auf die Erde, denn mein Glück nehme ich mit in den Himmel. Ich hege keinen Groll gegen die Menschheit oder die Wesen. Ich habe die ewige Liebe gefunden.“
„Ein Drittel göttlich“, verbesserte Lilith und strich sich die blonden Locken aus dem Gesicht. Ihre blauen Augen strahlten. „Engel, Dämon, Mensch. Ha, war ja klar! Natürlich tauge ich dazu, die Welt zu retten.“ Sie lachte und es klang wie Glöckchen.
Ny’lane hielt den weiblichen Engel am Oberarm fest. „Ich werde niemals ruhen, dich zu jagen, Nephilim, wenn du nicht sofort meinem Freund das Leben zurückgibst.“ Nyl zeigte auf Jonas, der umringt von Sam, Cira und Timothy auf dem Boden lag. Cira massierte sein Herz. Sie weinten still vor sich hin, folgten dem unwirklichen
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