Schicksal des Blutes
wieder mal wie aus dem Nichts auftauchte. Ein Sonnenstrahl lenkte seinen Blick erneut gen Himmel. Er erstarrte, als er den Regenbogen sah. Die Farben erinnerten ihn an die Bilder, die er gesehen hatte, als er auf der ‚Silver Angel‘ Whiskey über Nyls Seidenteppich verschüttet und darübergewischt hatte. „Dads Teppich! Im Büro! Sein altes Lieblingsstück. Verdammt, den habe ich total vergessen!“
Bahamas, Insel New Providence – 3. Mai 2011
B
eim Erwachen glichen die vergangenen Stunden des letzten Tages e i nem Traum, den man nie hätte träumen dürfen.
Irgendwie hatte Amy es gewusst, bevor sie die Lider öffnete, bevor sie Cecilia fragte, bevor sie das Ticket auf ihren Namen zurück nach San Francisco fand. Es war zu schön gewesen, um wahr zu sein. Er war fort.
Mit fliegenden Fahnen raffte sie ihre spärliche Habe zusammen und ließ sich von Cecilia aus dem ‚Ekstase‘ geleiten. Sie floh. Vor Ny’lane, vor dem ‚Ekstase‘, vor den jüngsten Geschehnissen und vor sich selbst. Über das, was sie in Nyls Augen g e sehen hatte, wollte sie nicht nachdenken, es rasch verdrängen. Zu schmachvoll war ihre Ve r gangenheit. Kein Wunder, dass sie so extrem reagiert hatte, als sie wegen Nyls offe n sichtlicher Gabe alles am eigenen Leib hatte miterleben müssen. Warum bloß spülte sein einstiges Handeln ausgerechnet ihre Schande hervor? Nein! Nicht grübeln.
Amy lief aus dem Fort und sprang in das nächstbeste Taxi. Es war lange vor So n nenaufgang, was sie überraschte. In Nyls Klub unter Tage hatte sie das Zeitgefühl verloren. Und nicht nur das. Ihr Verstand musste auch irgendwo auf der Strecke g e blieben sein. Ny’lane hätte alles mit ihr tun können. Sie wäre niemals aus ihrem Err e gungstaumel aufgetaucht und das ärgerte sie zutiefst. Noch nie hatte ein Mann Gewalt über ihren Körper gehabt. Aber sie hatte es ja wissen wollen, hatte ihn herausgefordert. Sie trug teilweise Schuld an diesem … Schlamassel, in dem ihr Leib festzustecken schien. Doch er, er hätte sie abweisen können. Aber nein, er spielte erst ein wenig mit ihr und knockte sie dann abermals aus, wie ein Flittchen. Und das Abscheulichste war, sie dummes Gänslein war auf sein Getue hereingefallen.
Verdammt! Amy brodelte vor Wut, auf Nyl, auf sich. Sie hatte tatsächlich gedacht, sie wäre nicht eine von den Frauen, der ein Mann den Verstand ausklinken könnte. Doch nicht sie! Aber allein, wie sich ihre Mitte ununterbrochen lustvoll zusammenzog und ihr energiegeladene Zuckungen durch die Nerven schickte, wenn sie nur an das imposante Ekelpaket dachte, ließ an ihrer bisher 28 Jahre aufgebauten und durchgeha l tenen Lebenseinstellung Zweifel aufkommen. Verdammt noch mal, er hatte sie doch nur geküsst!
Amy versteckte die empfindsamen Brustwarzen unter der Jacke, verschränkte die Arme fest davor, damit der Stoff nicht bei jeder Bodenwelle darüberstrich und starrte aus dem Fenster des Taxis in die Nacht hinaus. Trotz ihres Zorns seufzte sie wie ein hilfloses Schulmädchen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
Sie war so eine dumme Pute. Verwechselte Berührung mit Nähe, Zärtlichkeit mit Liebe. Warf sexuelle Begierde mit Zuneigung in einen Topf. Nur weil sie sich nach all diesen Dingen verzehrte, sie vor Sehnsucht nach einem sanften Streicheln über den Kopf verging, dass es schmerzte. In ihrer Brust. Sie war allein, aber nicht, weil sie es sein wollte. Niemand hatte ihr bisher das Gefühl schenken können, das sie brauchte, das sie zum Leben, zum Überleben benötigte. Sie war kein zierliches Vergissmeinnicht, sondern eher ein robuster Kaktus, beinahe unverwüstlich, obwohl er mit Wasser so knapp gehalten wurde, dass man glaubte, er würde sterbe n . Sie starb, innerlich. Stück für Stück, ohne dass es bemerkbar wäre. Vertrocknete, ohne zu wissen, weshalb sie sich nach scheinbar Unmöglichem sehnte. Nach ein wenig selbstloser Liebe, einer Berü h rung, einem Lächeln, einem Zettelchen mit einem Herzen, einem lieben Wort, das sie erbl ü hen lassen würde wie die schönste Blume der Welt.
Es konnte doch nicht sein, dass das zu viel verlangt war!
Und nun warf sie sich einem Körper an die starke Brust, weil sie das Gefühl , elendig einzugehen , mit allen Mitteln bekämpfen wollte. Ny’lane war ein Objekt der Begierde. Nicht seine Art zog sie an, sondern sein Aussehen. Er würde ihre tief sitzende Ei n samkeit nicht lindern.
Amy schnappte nach Luft, weil es derart eng um ihren Oberkörper wurde, als pres s te
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