Schicksal in seiner Hand
Professor.«
»Skalpell.«
Er streckte seine Hand aus. Sie zitterte so stark, daß das Messer weit ausfahrende Bewegungen machte. Er setzte es noch einmal ab.
»Ich muß eine totale Magenresektion vornehmen.«
»Sie wollen den ganzen Magen herausnehmen?« Erstaunt sah ihn Oberarzt Wagner an.
Professor Bergmann antwortete nicht auf diese Frage. Er operierte schweigend weiter. Flink gingen ihm die Assistenten zur Hand. Es war ein ausgezeichnet aufeinander eingespieltes Team. Die Freilegung des Magens wurde nun nach oben zu fortgesetzt. Wie ein Schlauch lag er jetzt da – nur noch von der Speiseröhre und dem Zwölffingerdarm gehalten.
Der Professor operierte sehr schnell. Es schien, als wolle er die verlorengegangene Zeit einholen.
»Ich muß das Jejunum direkt an die Speiseröhre annähen.«
Seine Finger suchten in der Tiefe des Leibes und holten den schlangenförmigen Dünndarm hervor. Sie legten ihn frei, so daß er sich streckte. Dann trennte er den Magen zwischen zwei Klemmen ab. Er versuchte, das eine Ende des Dünndarms an die Öffnung zu bringen, an der der Magen mit der Speiseröhre verbunden war. »Es geht!«
Professor Bergmann biß sich auf die Lippen. Die ungeheure Anstrengung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Immer wieder mußte ihm die Schwester mit einem Handtuch dicke Tropfen abwischen, aber er arbeitete unbeirrt weiter.
Einmal schaute er auf die Uhr.
»Eine Stunde wird es sicher noch dauern.«
Und dann trat er einen Schritt zurück. Es sah aus, als wolle er sich haltsuchend an einen Assistenten klammern. Er taumelte zur Wand und lehnte sich dagegen.
Betroffen starrten ihn alle an.
»Bitte, Kollege Wagner« – wie matt mit einem Mal die befehlsgewohnte Stimme des ›alten Löwen‹ klang – »führen Sie den Eingriff weiter. Ich muß mich einen Augenblick hinlegen. Mir ist nicht gut.«
Er ging taumelnd zur Tür. Ein Pfleger öffnete sie. Er wollte ihn am Arm packen und hinausbegleiten, aber Professor Bergmann machte eine abwehrende Handbewegung. Mit letzter Kraftanstrengung verließ er hocherhobenen Hauptes den OP.
5
Es blieb einen Augenblick still.
Dann nahm Dr. Wagner den Platz des Chefs ein. Diese Aufgabe erfüllte ihn offensichtlich mit Genugtuung.
Er streckte seine Hand aus. Mit einem Achselzucken legte ihm die OP-Schwester das Messer hinein.
Vorsichtig schnitt er Gewebe ab. Er mobilisierte den Magen vollständig. Der Oberarzt war ein recht geschickter Operateur, er machte seine Sache gut.
Doch als er den Dünndarm mit der Speiseröhre verbinden wollte, rissen die Nähte immer wieder ein.
»Das Gewebe ist verdammt morsch!« schimpfte er vor sich hin. »Ist ja auch kein Wunder bei dem Befund.«
Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Verbissen arbeitete er weiter. Immer wieder legte er Nähte durch die Schleimhaut, aber sobald er sie zuziehen wollte, schnitten sie das Gewebe durch.
»Der Puls der Patientin wird schlecht!« Dr. Rademacher schaute hoch. »Wir müssen bald etwas unternehmen, sonst bricht der Kreislauf zusammen.«
»Zum Teufel!« schrie der Oberarzt. »Stören Sie mich nicht! Sie sehen doch, daß ich an einer sehr schwierigen Stelle arbeite.«
»Aber es muß …«
»Halten Sie den Mund!«
Dr. Wagner zitterte vor Aufregung. Er war totenblaß geworden. Als eine Blutfontäne hochspritzte, verlor er völlig die Beherrschung. Er brüllte von neuem los und schnauzte seinen Assistenten an, warum er nicht gleich eine Klemme angelegt habe.
»Der Puls wird schlechter«, verkündete der Narkosearzt besorgt. »Der Blutdruck ist auf fünfzig abgesunken. Wir müssen eine Bluttransfusion anschließen.«
»Nein!« Wagners Stimme überschlug sich. »Wann eine Transfusion angelegt wird, bestimme ich. Seit wann belehren Assistenten ihre Oberärzte?«
»Jetzt ist aber keine Besuchszeit.« Schwester Angelika wollte den blassen Besucher mit den beiden Kindern nicht auf die Station lassen. »Kommen Sie morgen nachmittag.«
»Aber meine Frau ist doch gerade operiert worden. Sie muß schon wieder zurück sein. Kleiber ist mein Name.«
»Ach, Sie sind Herr Kleiber!« Schwester Angelika streichelte die Wuschelköpfe der beiden Kinder, die sich ängstlich an ihren Vater schmiegten. »Entschuldigen Sie, ich habe Sie nicht erkannt. Kommen Sie bitte ins Dienstzimmer.«
Sie ging voran und öffnete eine Tür. »Setzen Sie sich bitte.«
Erschrocken schaute Albert Kleiber die Schwester an. »Sie sind so …«, er suchte nach dem passenden Wort, »feierlich!« sagte er
Weitere Kostenlose Bücher