Schicksal!
nur, ich schaffe es, das durchzuziehen.
Da wir gerade vom Schicksal sprechen: Ehe Jerry mich aus seinen Gemächern geschmissen hat, teilte er mir mit, dass ich nach erfolgreicher Transformation zum Menschen auf den Pfad des Schicksals gesetzt werde, obwohl ich technisch gesehen ja nicht geboren wurde. Auf den Pfad des Schicksals, der jetzt eigentlich der Pfad des Zufalls ist. Aber ich glaube, Jerry war gerade nicht in der Stimmung für Wortklaubereien.
Als Vorbereitung für meine Menschwerdung stellt Jerry die nötigen Dokumente zusammen: Geburtsurkunde, Lebenslauf mit Berufserfahrung und eine Plus-Visa-Karte mit 75 000 im Voraus gutgeschriebenen Vielfliegerkilometern.
Und obwohl ich den Aufwand anerkenne, den Jerry betreibt, um mir eine solide Grundlage für meine menschliche Existenz zu schaffen, kann ich nicht anders, als den dauerhaften Verlust meiner Fähigkeiten zu beklagen, mich teleportieren und unsichtbar machen zu können. Ganz zu schweigen von meiner Universal-Visa-Karte und der Mitgliedschaft im Garten-Eden-Fitnessstudio.
Die Dampfbäder dort sind paradiesisch.
Als Hermes mich vor meinem Apartment rausschmeißt und schlechtgelaunt wieder abhaut, weil ich ihm kein Trinkgeld gegeben habe, ist es gerade mal kurz nach acht in der Früh. Sara ist nicht zu Hause. Alles, was mir bleibt, ist eine Nachricht auf meinem Handy: Vor der Arbeit ist sie ins Fitnessstudio gegangen, und sie wird wahrscheinlich nicht vor sechs zu Hause sein.
Na klasse. Unser letzter gemeinsamer Tag, und Sara wird den Großteil davon unterwegs sein.
Man sollte meinen, sie wäre zu Hause geblieben, um sofort zu erfahren, was passiert ist. Schließlich hat dein Freund nicht jeden Tag eine Anhörung bei Gott, der über den Status seiner Unsterblichkeit entscheidet.
Vielleicht erwarte ich einfach zu viel.
Vermutlich muss ich auch berücksichtigen, dass meine Anhörung in Jerrys Gemächern zwar weniger als eine Stunde gedauert hat, auf der Erde derweil aber fast drei Tage vergangen sind.
Möglicherweise hatte Sara das Warten satt.
Also rufe ich an und hinterlasse eine Nachricht auf ihrer Mailbox. Ich entschuldige mich, dass ich so lange weg war, und sage ihr, dass ich gute Neuigkeiten habe und dass sie so schnell wie möglich zu mir nach Hause kommen soll.
Natürlich bin ich versucht, ihr die Wahrheit zu sagen, damit sie heimkommt und wir unseren letzten Tag komplett miteinander verbringen können. Aber ich will sie nicht aufregen. Und ich will die Egoismus-Karte nicht ausspielen. Und was würde es auch nutzen? Selbst wenn Sara die Wahrheit wissen wollte, um unsere letzten vierundzwanzig Stunden in guter Erinnerung zu behalten – sie würde sich ja trotzdem an nichts erinnern. Und deshalb ist es auch nicht so, dass sie irgendetwas verpassen würde, das sie später bereut.
Ich
bin derjenige, der sich erinnern wird.
Der etwas verpassen wird.
Der etwas bereuen wird.
Ich frage mich, ob das ein Teil dessen ist, was es ausmacht, ein Mensch zu sein. Entscheidungen im besten Interesse eines anderen zu treffen statt im besten Sinne für sich selbst.
Das sollte mir zumindest ein paar Punkte auf der Schicksalspfadskala für einen guten und anständigen Start einbringen, finde ich. Ein Schicksal ohne Prostitution oder achtstündige Arbeitstage in einem dieser Großraumbüroarbeitsbunker. Na ja, als Stricher könnte ich meine Arbeitszeit wenigstens selbst einteilen, und ich würde draußen arbeiten.
Und obwohl die Chancen dafür schlechtstehen, frage ich mich, ob ich Jerry nicht dazu bringen kann, mich auf den Pfad der Bestimmung zu setzen.
Auf der anderen Seite – ich glaube,
Bestimmung
wüsste die Ironie nicht zu schätzen.
Ein paar Minuten tigere ich durch mein Apartment und warte auf Saras Rückruf; dann fahre ich mit dem Lift zu ihrem Apartment und benutze den Ersatzschlüssel, den sie mir gegeben hat. Sobald ich drinnen bin, lege ich ihre Lieblings-Sheryl-Crow- CD ein und gehe durch ihre Wohnung. Erinnere mich an all die Zeit, die wir hier zusammen verbracht haben. Muss grinsen, als ich all die Schachteln vom Lieferservice in ihrem Kühlschrank sehe. Atme ihren Duft ein, als ich die Kleider in ihrem Schrank betrachte.
Lege mich auf ihr Bett.
Lege etwas von ihrem Parfum auf.
Ziehe einen ihrer Seidenpyjamas an.
Dreißig Minuten später stehe ich vor ihrer Frisierkommode. Ich öffne die oberste Schublade und nehme ein Paar ihrer Höschen in die Hand, als eine Stimme aus dem Schlafzimmereingang sagt: »Kein Wunder, dass du
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