Schicksal!
sagen, dass sie sich bald nicht an mich oder an uns erinnern wird. Und obwohl die Chancen dafür schlechtstehen, muss ich sie bitten, zumindest zu versuchen, sich an mich zu erinnern. Zu versuchen, irgendetwas festzuhalten. Nur eine einzige Erinnerung. Und wenn sie das schafft, gibt es vielleicht, nur vielleicht, eine Chance, dass wir weiterhin zusammen sein können.
Als ich in die Küche gehe, fällt mir auf, dass es vermutlich angemessener gewesen wäre, diesen Appell bekleidet auszusprechen. Oder zumindest im Bademantel. Außerdem habe ich eine Morgenlatte.
Na ja, zumindest sehe ich aufrichtig aus.
Sara sitzt am Küchentisch. Sie trägt Lucky-Brand-Jeans und einen roten Kaschmirpullover, den ich nie zuvor an ihr gesehen habe. Sie hat mir den Rücken zugewandt, während sie die Reste eines Reisnudelgerichts mit der Gabel isst.
»Sara«, sage ich. »Ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«
Sie wendet sich halb zu mir um, schaut mich an, schluckt einen Bissen vom Pad Thai hinunter und lässt ihren Blick lächelnd über meinen Menschenanzug wandern. »Etwas Wichtiges, sagst du? Stimmt, so sieht es aus.«
»Nein«, erwidere ich. »Das meine ich nicht. Es ist etwas Ernsteres.«
Belustigt sieht sie mich an. Schließlich dreht sie ihren Stuhl ganz herum und beugt sich mit den Ellbogen auf den Knien und dem Kinn in den Händen vor.
»Okay«, sagt sie. »Ich höre zu.«
Ich bin mir nicht sicher, wie ich es ihr mitteilen soll. Also platze ich einfach heraus: »In ungefähr zwanzig Minuten wirst du dich nicht mehr an mich erinnern können.«
Sie sitzt einfach da und starrt mich an, hat immer noch das gleiche amüsierte Lächeln auf den Lippen.
»Ich weiß nicht«, gibt sie zurück und begutachtet meinen Menschenanzug. »Du bist ziemlich schwer zu vergessen.«
»Du verstehst nicht«, setze ich erneut an, knie vor Sara nieder und umfasse ihre Hände. »Du wirst alles vergessen. Mich. Uns. Jerry …«
»Jerry?«, fragt sie und reißt die Augen auf. »Oh, mein Gott! Hatten wir einen Dreier?«
»Sara, ich mache keine Scherze.«
»Ich auch nicht.« Sie steht auf, geht zu ihrer Schlafzimmertür hinüber und späht hinein. »Hatten wir einen Dreier? Ganz ehrlich, ich kann mich einfach nicht daran erinnern.«
Oh, nein. Ich schaue auf die Küchenuhr. Eigentlich sollten mir noch neunzehn Minuten bis zur Löschung bleiben. Außer natürlich,
Erinnerung
ist früher vorbeigekommen.
»Sara«, sage ich und stehe auf. »Sara, kennst du meinen Namen?«
Sie sieht mich von der Schlafzimmertür aus an. Dann blickt sie nach oben, als würde sie versuchen, sich an etwas zu erinnern, ehe sie mich wieder mit einem schuldbewussten Grinsen ansieht. »Ich nehme mal an, du bist nicht Jerry.«
»Nein«, erkläre ich. »Ich bin nicht Jerry. Weißt du meinen Namen wirklich nicht?«
Sara lächelt erneut und zuckt mit den Schultern. »Ich weiß. Das ist mies. Aber um ehrlich zu sein: Ich erinnere mich an nichts von letzter Nacht. Ich muss wohl einen Kurzen zu viel getrunken haben. Allerdings fühle ich mich gar nicht verkatert.«
Erinnerung
ist offenbar tatsächlich zu früh gekommen. Verflucht soll sie sein. Wieso kann sie nicht ein einziges Mal zuverlässig sein?
»Also, wie heißt du?«, fragt Sara.
»Sergio«, antworte ich mit einem Seufzen und einem zusammengesunkenen Morgenständer. »Ich heiße Sergio.«
»Echt?«, erwidert sie lachend. »Du siehst gar nicht wie ein Sergio aus.«
Genau dasselbe hat sie zu mir gesagt, als wir uns zum ersten Mal getroffen haben – nur ohne das Lachen. Trotzdem frage ich mich allmählich, ob wir dennoch eine Chance haben könnten.
Nackt und schlaff gehe ich zu Sara hinüber und umfasse einmal mehr ihre Hände. »Vielleicht ist es nicht zu spät. Vielleicht kannst du dich noch erinnern.«
»Schau mal, Sergio«, sagt sie und lacht wieder. »Heißt du wirklich so?«
Ich nicke nur. Wenn ich nicht bereits verwelkt wäre, würde ich spätestens jetzt die Blätter hängen lassen.
»Schau mal. Du bist ein sehr attraktiver Mann mit einem fantastischen Körper«, erklärt sie und reicht mir meine Hände zurück. »Und ich bin mir sicher, dass wir gestern Nacht sehr viel Spaß gehabt haben. Aber die Wahrheit ist: Ich bin im Moment nicht auf der Suche nach einer Beziehung. Also denke ich, dass es das Beste ist, wenn wir die Sache einfach beim Namen nennen.«
»Und welcher wäre das?«
»One-Night-Stand.«
Großartig. Sie haben ihr eine Gedächtnislöschung mit angehängter Bindungsangst verpasst.
Ich
Weitere Kostenlose Bücher