Schicksal!
irgendeiner Anstellung zu suchen. Beides ohne jeden Erfolg. Ich bewerbe mich sogar auf einen Job als Sozialberater, weil das eventuell voll auf meiner Linie liegen könnte. Anscheinend braucht man allerdings einen Master-Abschluss dafür, und in meinen Lebenslauf hat Jerry nur einen Bachelor der freien Künste geschrieben.
Was zum Teufel soll ich damit anfangen?
Wegen des Unterlassungsbescheides und der Konsequenzen, denen ich mich stellen muss, wenn ich die Regeln breche, halte ich einfach die Augen nach Sara offen, wohin ich auch gehe. Ich will nicht, dass sie denkt, ich würde sie stalken, aber immerhin ist Manhattan eine Insel. Es ist schwer, in New York nicht über jemanden zu stolpern – selbst dann, wenn man sich dieser Person per Gerichtsbeschluss nur auf allerhöchstens zweihundert Meter nähern darf. Dass ich Sara in unserem gemeinsamen Wohnhaus über den Weg laufen könnte, stellt jedenfalls schon schnell keinerlei Gefahr mehr dar: Bevor ich eine neue Bleibe gefunden habe, ist sie bereits ausgezogen.
Trotzdem denke ich jeden Tag an sie. Jede Minute. Jede Sekunde. Was es schwermacht, mich auf mich selbst zu konzentrieren. Wie soll ich mein Menschsein genießen können, wenn das einzig Gute an meiner Sterblichkeit die 110 wählt, wenn ich ihr eine Valentinstagskarte schicke?
Also leide ich und sehne mich und werde aus meinem 3990 -Dollar-Apartment mit Parkettböden, Ausblick auf den East River und Dachgarten geschmissen. Ich verkaufe so viel von meinen Besitztümern wie möglich, damit ich mir etwas zum Essen leisten kann. Den Rest von meinem Kram lasse ich im Apartment zurück. Es ist ja nicht so, dass ich ihn irgendwohin mitnehmen könnte. Und nebenbei bemerkt: Das meiste davon erinnert mich an Sara.
Da ich keine Heimat mehr habe, begebe ich mich ins East Village, um
Faulheit
und
Völlerei
zu fragen, ob sie mich aufnehmen können. Ich schaue bei
Glücks
Wohnung in Chelsea vorbei. Ich klopfe an Teddys Kellerapartmenttür in der Lower East Side. Ich haue sogar
Fehlschlag
in seiner geschmacklosen Battery-Park-City-Einzimmerwohnung an.
Niemand ist zu Hause. Niemand antwortet. Niemand bietet mir eine helfende Hand.
Also sitze ich hier, am letzten Tag im Januar, die Sonne geht gerade unter, und ich habe keinen Ort auf der Welt, an den ich gehen könnte.
Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte.
Anscheinend hatte ich geglaubt, dass meine Freunde trotz allem noch meine Freunde wären. Dass ich mich auf die Beziehungen, die ich in all diesen Jahrtausenden aufgebaut hatte, verlassen könnte. Dass mir jemand dabei helfen würde, herauszufinden, was ich machen soll.
Und mir wird klar, dass ich meinen Menschen mehr gleiche, als ich es jemals für möglich gehalten hätte.
Ich bin für mein eigenes Schicksal verantwortlich. Meine eigene Zukunft. Ich weiß das höchstwahrscheinlich besser als irgendjemand sonst im Universum. Und bis jetzt mache ich einen Scheiß-Job, wenn es darum geht, mein Leben in die Hand zu nehmen.
Ich bin arbeitslos, obdachlos und von meinen Freunden verlassen. Und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, habe ich es innerhalb von sechs Wochen Sterblichkeit geschafft, mir eine Vorstrafe einzuhandeln.
Ich weiß nicht, worin mein optimales Schicksal bestehen soll, weil ich es logischerweise nicht mehr erkennen kann. Aber ich glaube, ich verstehe allmählich, warum es meinen Menschen so schwerfällt, auf ihren Pfaden zu bleiben. Bei so vielen Hindernissen und Ablenkungen, mit denen man sich auseinandersetzen muss, brauchen sie ihre iPods und BMWs und ihre DKNY -Klamotten vielleicht, um bei Verstand zu bleiben.
Zum ersten Mal seit einem Monat lache ich. Kein Glucksen oder Kichern oder ein stakkatohafter Lachanfall, sondern ein ausgewachsenes, orkanartiges Lachen, das sich zwar gezwungen anhört, es aber nicht ist. Die Art von Lachen, die Leute dazu bringt, die Köpfe zu wenden und sich zu fragen, ob der Mann dort im knielangen schwarzen Mantel mit dem zerzausten Haar und den Zweitagebartstoppeln noch im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist.
Und genau das frage ich mich auch.
Während ich durch Lower Manhattan zurück nach Midtown wandere und meine gesamte persönliche Habe in einem Rucksack auf dem Rücken trage, begleitet mich mein eigenes Gelächter, das in Stößen von weißen Atemwölkchen aus meinem Mund herauskommt. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, und ein weiterer Winterabend in Manhattan ist angebrochen, der die Straßen in Schatten taucht. Männer, Frauen und Kinder
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