Schicksal!
von Zabar’s.
Sara hat immer die mit Schokolade bevorzugt.
Ich habe gehört, dass in den letzten Momenten der Menschen ihr gesamtes Leben an ihnen vorüberzieht. Aber bei mir gelten meine letzten Gedanken, ehe ich auf dem Wasser aufschlage, nur einem einzigen Menschen: Sara.
Ihrem Lachen und ihrem Lächeln.
Ihrem Gesicht und ihren Lippen.
Ihrer Stimme und …
54
I ch schwebe frei im Raum. Oder in so etwas Ähnlichem wie Raum. Es ist dunkel. Und leer. Und ich bin ganz allein. Allerdings kommt es mir eher so vor, als würde ich im Wasser treiben. Und statt in einer Art endloser kosmischer Leere zu schweben, fühle ich mich beengt.
Ich bin mir nicht sicher, wie lange ich mich in diesem Zustand befinde. Es scheint so, als wäre ich mir dieser Empfindungen erst seit einigen Minuten bewusst. Die Zeit ergibt jedoch eigentlich gar keinen Sinn mehr. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist der Sprung von der Brücke. Ich habe mich umgedreht und zurückgeblickt. Da war Teddy, der mir zuwinkte. Ich habe an Sara gedacht. Dann kam der Aufprall.
Und danach nichts mehr.
Kein Davontreiben. Keine außerkörperliche Erfahrung. Kein Licht am Ende des Tunnels, keine himmlischen Stimmen und auch kein Jerry, der mit einem Guinness auf mich wartet, um mich im Leben nach dem Tod willkommen zu heißen.
Ich habe nie viel über den Tod nachgedacht. Das ist nichts, womit man sich beschäftigt, wenn man nicht gerade auf Hilfe durch das staatliche Gesundheitssystem angewiesen ist. Ich weiß nur, dass ich es mir nicht so vorgestellt hatte. Ich glaube, ich hatte eher so etwas wie Shangri-La, den Garten Eden oder das Elysium erwartet. Himmlische Urlaubsziele mit üppiger Vegetation, All-You-Can-Eat-Buffets und All-inclusive-Unterbringungen. Vielleicht sogar kostenlose Massagen mit ganz speziellen Extras …
Stattdessen treibe ich im Wasser, und nichts davon ist in Sicht. Überhaupt kann ich kein beschissenes bisschen sehen.
Ich wälze mich herum und strecke mich, um herauszufinden, wo ich ende und wo all dieser leere Raum um mich herum beginnt, als meine Hände auf eine Art Barriere stoßen. Sie ist weich und dehnbar und gibt nach, wenn ich drücke, aber sie ist zu stabil für mich, um sie zu durchbrechen. Also trete ich mit den Füßen dagegen, versuche zu entkommen, doch die Barriere hält stand.
Ich frage mich, ob ich vielleicht nach meinem Sprung von der Brücke von einem Wal oder einem Riesenkraken gefressen wurde und ich nun in dessen Magen bin und langsam verdaut werde. Allerdings gibt es keine Wale oder Riesenkraken im Hafen von New York, soweit ich weiß. Und außerdem ist die Kleidung, die ich getragen habe, auf mysteriöse Weise verschwunden. Nicht zuletzt ist da ein langer, schlangenartiger Parasit an meinem Bauchnabel befestigt.
Als ob das nicht merkwürdig genug wäre, könnte ich schwören, weiterhin Saras Stimme zu hören.
Manchmal redet sie einfach nur vor sich hin, ihre Worte klingen gedämpft und sind belanglos, als würde sie mit jemand anderem sprechen. Zu anderen Zeiten könnte ich wetten, dass sie mit mir spricht. Sie sagt meinen Namen nicht, aber ich erkenne trotzdem die Absicht in ihrer Stimme. Ihre warme Tenorsaxophon-Stimme schallt durch die Wände meines merkwürdigen kleinen Gefängnisses.
Zuerst dachte ich, ich würde mir das Ganze bloß einbilden. Erinnerungen an meine Existenz, die durch meinen körperlosen Geist schwirren, während ich den Übergang vom Leben zum Tod vollzogen habe. Die Sache ist nur, dass das hier nicht das Geringste mit irgendeiner Art von Übergang zu tun hat, von dem ich je auch nur in Ansätzen gehört habe. Die Dinge, die Sara zu mir sagt, und der weiche, gurrende Tonfall in ihrer Stimme wecken keine Erinnerungen. So hat sie nie mit mir gesprochen, als wir zusammen gewesen sind. Okay, vielleicht ein- oder zweimal im Bett, bei einem unserer Rollenspiele. Aber nun klingt es so, als würde sie mit jemandem reden, der viel jünger ist. Ich kann mich irren, aber ich schätze, so würde sie mit einem Kind sprechen.
Irgendetwas daran kommt mir gruselig vor.
Die Sache ist, dass Saras Stimme anscheinend alles um mich herum zum Schwingen bringt. Es ist, als könnte ich sie durch diese Barriere fühlen, durch diese durchlässige Gefängnis-Membran. Ich kann mir fast vorstellen, ihr Herz schlagen zu hören. Und ich bin von einer wohligen Wärme umgeben. Es ist, als würde ich ausgebrütet werden.
Ich fühle mich, als sollte ich wissen, was da vor sich geht, aber ich kann es einfach
Weitere Kostenlose Bücher