Schicksal!
ganze Arbeit ab. Ich muss dennoch meine Quoten eingeben und die Erfolgsparameter setzen, damit nichts dabei herauskommt, das allzu deutlich über das Mittelmaß hinausgeht.
Baseballspieler, die für eine Saison im Rampenlicht stehen.
Präsidenten, die nach der ersten Amtszeit nicht wiedergewählt werden.
One-Hit-Wonder.
Wenn ich vergesse, die Parameter zu setzen, und jemandes Zukunft plötzlich voller Oscars oder Wimbledon-Siege im Dutzend ist, bewege ich mich gefährlich nahe am Rande des Aufgabenbereichs von
Bestimmung.
Eine sichere Methode, um suspendiert zu werden. Oder schlimmer. Also verbringe ich eine Menge Zeit damit, alles doppelt und dreifach zu überprüfen.
Dabei muss ich auch die vorherigen Leben mit einbeziehen.
Wenn Menschen geboren werden, landen sie entweder auf dem Pfad des Schicksals oder auf dem Pfad der Bestimmung. Eine Beförderung ist nicht vorgesehen. Keine Chance, die Karriereleiter hinaufzusteigen oder in eine höhere Steuerklasse zu wechseln. Auch den Pfad der Bestimmung kann man nicht einfach so verlassen. Man befindet sich in einer Art Skalenspektrum. In einem unsichtbaren Kraftfeld von Zukunftsentwürfen.
Na ja, allerdings birgt das Gesetz der Reinkarnation ein Schlupfloch und erlaubt es den Menschen, ihr Schicksal von einem Leben in das nächste mitzunehmen. Du triffst die richtigen Entscheidungen und erfüllst alle Erwartungen? Dann darfst du so weitermachen. Du vergeigst es immer wieder und machst ständig die gleichen Fehler? Dann wirst du einen Grad zurückgestuft. Kurz: Wenn du es schaffst, einen guten Eindruck zu hinterlassen, kannst du in deinem nächsten Leben zum Pfad der Bestimmung aufsteigen. Theoretisch.
Natürlich kann man seine Erinnerungen nicht mitnehmen. Den meisten Menschen fällt es ohnehin schon schwer genug, sich an Verabredungen und Jahrestage zu erinnern. Was hilft es ihnen da zu wissen, dass sie im letzten Leben Adolf Hitler gewesen sind?
Sobald ich alle Informationen in das Programm eingegeben habe, drücke ich jedenfalls auf »Ausführen« – und los geht’s. 210 000 Schicksale meiner neugeborenen Menschen in den kosmischen Hauptrechner hochzuladen, sie zu verteilen und zuzuweisen dauert mit einem starken Übertragungssignal keine zehn Minuten.
Zugegeben, besonders sorgfältig ist dieses Vorgehen nicht. Früher habe ich jedem einzelnen Menschen sein persönliches Schicksal auf den Leib geschneidert – eben beinahe so wie ein Schneider, der einen Anzug anfertigt, der einfach perfekt passt. Habe jede Zukunft bis ins Kleinste ausgearbeitet. Schicksale zuzuweisen, das war für mich eine Kunst. Ein erlerntes Handwerk. Ein kreatives Ventil für meinen inneren Michelangelo.
Jetzt ist alles nur noch Massenware.
Schicksale von der Stange.
Zusammengesetzte Lebenswege aus dem Baukasten.
Aber es ist, wie es ist. Heute wäre ich selbst mit Hilfe meines computergenerierten Algorithmus, der die Schicksale für mich zuweist, nicht schnell genug, um mit der Nachfrage Schritt zu halten: Es ist einfach unmöglich, jedermanns Zukunft von Hand zu fertigen und mich gleichzeitig um die Schicksale zu kümmern, die ich täglich neu anpassen muss.
So oder so: Ich opfere die Qualität der Quantität.
So oder so: Ich stelle bloß eine Ware her.
Während das Programm weiterhin mit dem Upload ins Netzwerk beschäftigt ist, bekomme ich eine E-Mail von Jerry. Keine persönliche Nachricht, sondern eine Massenmail über den Unsterbliche-Mitarbeiter-Verteiler bei
Yahoo! Groups:
Wichtig!!!
Wenn Jerry etwas mit dem Betreff »Wichtig« herumschickt, ist es meistens eine Warnung vor einem neuen Computervirus. Oder er bittet uns, seine Mail weiterzuleiten und so dabei zu helfen, hungernden Kindern in Afrika etwas zu essen zu geben. Oder er will uns wissen lassen, welche Fast-Food-Kette gerade kostenlose Geschenkgutscheine herausgibt.
Jerry fällt ständig auf solche Internet-Enten und moderne Legenden herein.
Einmal hat er sogar eine Mail rumgeschickt, in der es hieß, dass die US -Münzanstalt neue Dollarmünzen ohne das Motto »In God We Trust« plane. Es hat eine Weile gedauert, bis wir ihn beruhigen konnten.
Vermutlich ist auch das hier nur eine weitere von Jerrys nutzlosen Warnungen oder Bitten, doch ich kann sie nicht einfach löschen. Erstens haben fast alle E-Mails von Jerry »Wichtig« oder »Dringend« oder »Bitte lesen« im Betreff, so dass ich mir nicht sicher sein kann, ob es Müll ist oder ausnahmsweise etwas Relevantes. Und zweitens benutzt Jerry immer
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