Schicksal!
beharrt Darren.
Ich sage ihm, dass ich es nicht weiß. Vielleicht hat es etwas mit Selbstbestrafung zu tun – für die Fehler, die er gemacht hat, und die Leben, die er dabei ruiniert hat.
»Sex mit Vögeln zu haben ist in Minnesota gesetzlich verboten«, mischt der Barkeeper sich ein und schnippt die Asche seiner Camel in den Aschenbecher.
»Wo ich herkomme, ist es auch verboten«, sage ich.
»Und wo ist das?«, fragt der Barkeeper, der auf dem besten Weg ist, Lungenkrebs zu bekommen.
»Im Himmel«, antworte ich und löse mich in Luft auf.
Ist das Leben nicht schön?
habe ich immer gemocht – diesen alten Filmklassiker, in dem ein Engel einem aufrechten, aber komplett frustrierten Geschäftsmann zeigt, wie die Welt wäre, wenn er nie existiert hätte.
Ehe der Barkeeper oder Darren die Chance hatten, darauf zu reagieren, materialisiere ich mich Sekunden später wieder an der Bar und wende mich an den Barmann: »Übrigens: Willst du nicht vielleicht das Rauchen aufgeben, wenn das bedeutet, dass du beide Lungenflügel behalten und deinen Enkel Football am Michigan College spielen sehen kannst?«
Und dann löse ich mich einmal mehr in Luft auf.
Ich weiß, dass es keine gute Idee ist, sich so aufzuführen. Doch ab und zu kann ich einfach nicht anders. Nebenbei bemerkt: Keiner der beiden wird mich je gegenüber einem Dritten erwähnen. Nicht mal untereinander werden sie über mich sprechen. Nach dem heutigen Tag wird Darren Stafford für den Rest seines Lebens nie wieder einen Fuß in diese oder irgendeine andere Bar setzen. Und obwohl es noch immer das Schicksal des Barkeepers ist, an Lungenkrebs zu sterben, schafft er es immerhin, seinen Enkel in der Startaufstellung als Weak-Side-Linebacker für die University of Michigan spielen zu sehen.
Wenn eine Krankheit einen Menschen erst einmal fest im Griff hat, kann ich nichts daran ändern. Ich kann weder den bereits angerichteten Schaden rückgängig machen noch die Krankheit daran hindern, sich weiter auszubreiten. Aber ich kann den Menschen sagen, dass sie die Krankheit bekämpfen können. Dass sie nicht an all die Statistiken und Prozentzahlen und Fachärzte glauben müssen, die ihnen ihre geringen Überlebenschancen haarklein auseinanderlegen. Ich kann den Menschen Hoffnung geben. Was zugegebenermaßen eigentlich nicht meine Stärke ist.
Hoffnungslosigkeit. Misserfolg. Verzweiflung. Das sind die Werkzeuge meines Geschäfts. Und das waren sie auch stets – viel länger schon, als ich mich erinnern will. Ich habe mich an sie gewöhnt, habe es mir mit ihnen bequem gemacht. So sind sie mit der Zeit ein Teil meines täglichen Lebens geworden: wie Essen, Atmen und Noncontact-Sex. Hoffnungslosigkeit, Misserfolg und Verzweiflung sind Teil meines Alltags. Sind Teil meines Lifestyles. Teil meiner Natur.
Und plötzlich wird mir bewusst, dass ich bisher im Grunde nicht viel anders als meine Menschen gewesen bin: gefangen in meinen Gewohnheiten und so daran gewöhnt, die Dinge nach Schema F zu erledigen, dass ich für jede Möglichkeit einer Alternative blind gewesen bin. Diese Erkenntnis macht mich auf eine Art betroffen, die über Ekel und Selbsthass weit hinausgeht.
Ich bin wie meine Menschen. Wir gleichen uns. Sie sind mein Spiegelbild. Ich bin ihr Spiegelbild. Und das ist eine größere Portion Realität, als ich zurzeit verkraften kann.
21
I n den nächsten paar Wochen überquere ich den Globus, von Bogotá über Budapest nach Bali, und helfe Männern, Frauen und Kindern, deren Schicksal Mittelmäßigkeit oder Unterdrückung vorsieht – oder einen schlechten Haarschnitt. Ja, spottet nur. Ihr habt ja keine Ahnung, welchen Einfluss ein schlechter Haarschnitt auf die Zukunft eines Menschen haben kann.
Vor den meisten Menschen, denen ich helfen will, muss ich nicht in Fleisch und Blut auftreten, und eine Wiederholung des Sich-aus-dem-Nichts-Materialisierens, wie ich es bei Amanda Drake oder Darren Stafford gemacht habe, spare ich mir lieber. Es wäre nicht gut, wenn zu viele Leute von einem Schutzengel reden, der ihnen erschienen ist. Bevor man es sich versieht, strahlt einen das eigene Konterfei von allen Zeitungen an, man ist auf sämtlichen Kanälen und wird am Ende noch für Interviews in Talkshows wie
Larry King
und
Oprah
gebucht, was Jerry wirklich ankotzen würde. Oprah hat ihn noch nie in ihre Show eingeladen.
Manchmal allerdings bin ich doch dazu gezwungen, mich mit einigen in ihrer Gestalt auseinanderzusetzen. Dann versuche ich es mit
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