Schicksal!
heranrückt.
Ich gebe es zu: Darren Stafford habe ich nicht so zufällig ausgewählt wie Amanda. Aber die nächste Person auf meiner »Dumme Menschen in Not«-Hilfsliste lebt in North Dakota, und da habe ich die Gelegenheit genutzt, um im Land der zehntausend Seen vorbeizuschauen und nachzusehen, wie sich mein in Ungnade gefallener Lieblings-Biologielehrer so macht.
»Harte Woche«, sage ich.
»Du machst dir keine Vorstellung«, erwidert Darren.
Es gibt keine bessere Methode, um sich mit einem einsamen Säufer anzufreunden, als ihm einen Drink zu kaufen. Außer natürlich, du kaufst ihm zwei oder drei. Die Drinks kommen, und Darren schüttet mir, seinem neuesten besten Kumpel, sein Herz aus. Dabei verändert er die Geschichte so, dass sie deutlich mehr zu seinen Gunsten ausfällt – mehr noch, als ich für möglich gehalten hätte. Fast klingt sie nach einem Märchen über Liebe, Unschuld und Verrat – und nicht nach einer wirklich bescheuerten Entscheidung seinerseits.
Diese dreiste Verdrehung der Fakten – sowie die Tatsache, dass er meine Großzügigkeit ausgenutzt und sich einen Doppelten bestellt hat, während ich meinen eigenen Drink kaum runterwürgen kann, ohne in mein Glas zu kotzen – wirft in mir die Frage auf, wie wichtig es mir wirklich ist, diesen Kerl von seinem Pfad in den Alkoholismus und die Verzweiflung abzubringen. Bis er plötzlich zusammenbricht und zu weinen beginnt.
»Hör zu«, sage ich und lege ihm sogar tröstend eine Hand auf die Schulter.
Normalerweise vermeide ich es, Menschen zu berühren – ausgenommen all die sterblichen Frauen, mit denen ich über die Jahrtausende hinweg Sex gehabt habe. Und meine Menschen fasse ich erst recht nicht gern an. Der Grund ist nicht so sehr die Beschaffenheit ihrer Körper, sondern vielmehr ihre Ausstrahlung. Auch jetzt kommt es mir so vor, als würde meine Hand auf vor Schweiß glänzendem, übelriechendem Fleisch ruhen.
»Hör zu«, wiederhole ich, während ich meine Hand wegziehe und versuche, durch den Mund zu atmen. »Du musst nicht hier bleiben und dir das antun. Du hast eine Wahl.«
Ich verkneife mir,
du Idiot
hinzuzufügen. Das wäre vermutlich keine besonders konstruktive Kritik.
»Wahl?«, gibt er zurück und wischt sich die Nase am Ärmel ab. »Welche Wahl? Ich bin gefickt.«
»Nein«, erkläre ich. »Du bist gefickt
worden,
und du
hast
jemanden gefickt, den du nicht hättest ficken sollen. Und weil du B getan hast, hast du A bekommen. Aber das bedeutet nicht, dass du gefickt
bleiben
musst.«
Er glaubt mir nicht. Nicht, bis ich die Details seiner Affäre vor ihm ausbreite, die Lücken in seiner Erzählung fülle und das von ihm gesponnene Märchen korrigiere.
Misstrauisch blickt er mich an. »Woher weißt du das alles? Bist du ein Bulle oder ein Anwalt oder so was?«
»Nur ein Freund«, antworte ich und ersticke fast an dem Wort. »Jemand, der dich besser kennt als du dich selbst.«
»Na ja«, nuschelt er und lässt die Hälfte seines frisch aufgefüllten Drinks über den Glasrand schwappen, »wenn du mich so genau kennst, kannst du mir sicherlich verraten, wieso ich überhaupt mit der kleinen Schlampe geschlafen habe.«
Ich erzähle es ihm. Sage ihm, was ihm an dem Morgen durch den Kopf ging, als er vor der Hintertür seiner Spitzenschülerin stand. Erinnere ihn daran, was er hatte werden wollen, als er noch jung war. Zähle ihm all die Fehlentscheidungen auf, die er in seinem Leben getroffen und durch die er die Verwirklichung seiner Träume verhindert hat. Und dann berichte ich ihm, was aus ihm werden wird, wenn er nicht genau jetzt diese Bar verlässt.
»Was? Ich werde Sex mit Vögeln haben?«, fragt er.
Nein. Aber das klang in meinen Ohren besser als Obdachlosigkeit und Filzläuse. Außerdem kann man nie vorsichtig genug sein. Und nicht zuletzt bin ich schließlich Mitglied der National Audubon Society, einer Umweltorganisation, die sich aktiv für den Vogelschutz einsetzt.
Um ehrlich zu sein, muss ich mir keine ernsthaften Sorgen machen, dass Darren Stafford Sex mit irgendwelchen Eistauchern haben oder die nächsten Jahre depressiv im Suff schwelgen wird. Nach unserer kleinen Unterhaltung hier und heute wird er entdecken, dass er von vorne beginnen kann und dass es auch nach einem Totalausfall ein Leben gibt. Er wird einen Job am Community College annehmen – und sich dort allerdings in eine neunzehnjährige Schülerin verlieben.
Manche Dinge ändern sich nie.
»Wieso sollte ich Sex mit Vögeln haben?«,
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