Schicksal!
behaupten …«
»Und das Schicksal ist ziemlich scheiße.«
Die Unterhaltung entwickelt sich nicht in eine Richtung, die mir gefällt.
»Das Schicksal wird nur missverstanden«, sage ich. Was nicht so ganz richtig ist. Ich bin wirklich scheiße. Aber ich arbeite daran.
»Wieso willst du wissen, ob ich an Bestimmung glaube?«, frage ich, um das Gespräch von meinen persönlichen Mängeln fortzulenken.
»Ich weiß nicht«, sagt sie, nimmt einen Bissen und spricht mit vollem Mund weiter: »Ich habe bloß das Gefühl, dass es dir und mir vorherbestimmt gewesen ist, uns zu begegnen.«
Obwohl das ein reizvoller Gedanke ist, ist es nicht besonders wahrscheinlich. Unsterbliche können nicht einmal auf dem Radar eines anderen Unsterblichen erscheinen. Und ganz sicher tauchen wir nicht auf dem Pfad eines Sterblichen auf.
»Und ich habe mich mit dieser Frau angefreundet, die ich im Central Park getroffen habe. Wir haben über Schicksal und Bestimmung gesprochen«, fährt Sara fort. »Ich glaube, das ist einfach bei mir hängengeblieben.«
»Frau?«, frage ich misstrauisch nach. »Was für eine Frau?«
»Sie heißt Betty. Eine wunderschöne Rothaarige. Fantastischer Körper. Einfarbige Kleidung. Lebt in SoHo. Wir treffen uns nächste Woche zum Essen.«
Kein Wunder, dass ich in letzter Zeit so wenig von
Bestimmung
gesehen habe. Sie hat sich mit meiner Freundin rumgetrieben, während ich unterwegs gewesen bin, um die Schicksale von Drogensüchtigen, gescheiterten Lehrern und Top-Politikern zu richten.
Also gut.
Bestimmung
bricht die erste Regel. Nicht, dass ich mich da beschweren dürfte …
»Was hat sie sonst noch erzählt?«, erkundige ich mich.
Anscheinend hat
Bestimmung
über die Tugenden des Feminismus gesprochen, die Werbetrommel für Keuschheit gerührt und die Vorzüge der Selbstbefriedigung gepriesen. Fast kann ich
Bestimmungs
kehliges Lachen hören, und ich frage mich plötzlich, ob sie uns genau jetzt beobachtet.
Wenn
Bestimmung
in der Nähe ist, kann ich sie meistens spüren. Wir sind so was wie eineiige Zwillinge – mal davon abgesehen, dass wir einander überhaupt nicht ähnlich sehen und bisweilen Sex miteinander haben. Aber Sara lenkt mich so sehr ab, dass es durchaus möglich ist, dass ich es nicht mitbekommen würde, wenn sie uns von irgendwo zusieht.
Nachdem ich mich kurz vor Abscheu geschüttelt habe, schaue ich mich in Saras Apartment um. Ich forsche nach irgendetwas Rotem, das merkwürdig fehl am Platz wirkt, doch ich sehe nur erdige Farben. Andererseits enthält Saras Schlafzimmer mehr Rottöne als die Augen von
Sucht.
»Wieso weißt du überhaupt so viel über Schicksal und Bestimmung?«, fragt Sara.
»Nur ein Hobby«, antworte ich und gehe zum Schlafzimmer.
»Merkwürdiges Hobby«, entgegnet sie.
Als ich im Eingang des Schlafzimmers stehe und mich umsehe, weiß ich, dass
Bestimmung
nicht da ist. Trotzdem kann ich das Gefühl nicht abschütteln, dass sie irgendwo in der Nähe ist und mich genau im Auge behält. Vielleicht werde ich auch einfach langsam paranoid. Nur für den Fall der Fälle hinterlasse ich ihr einen Gruß: Ich strecke beide Mittelfinger aus und hebe gut sichtbar die Hände, dann strecke ich die Zunge raus und schicke einen mächtigen Lippenfurz hinterher.
»Was machst du da?«, fragt Sara aus der Küche.
»Nichts«, erwidere ich und gehe zurück zu ihr. »Ich schaue nur nach, ob die
Bestimmung
hier ist.«
Sie lehnt sich gegen den Küchentisch und lächelt mich an. Dabei öffnet sich ihr Bademantel einen Spaltbreit und gibt den Blick auf ihre linke Brust frei. »Dann suchst du am falschen Ort«, sagt sie. »Deine Bestimmung wartet genau hier auf dich.«
Ich muss sagen, dass Sara so teilweise entblättert zwischen einer Komposition aus Schachteln vom Lieferservice und Plastikbechern ziemlich hinreißend aussieht. Dennoch stellt
Bestimmung
bei meiner Jagd nach dem Glück mit Sara offenbar ein größeres Hindernis dar, als ich zuerst dachte. Was bedeutet, dass ich Hilfe brauchen werde. Ich weiß, dass
Faulheit
und
Völlerei
mehr als bereit wären, mir ihre Dienste anzubieten, aber ein Vielfraß mit Laktoseintoleranz und ein Hasch rauchender Narkoleptiker sind nicht ganz das, was ich mir da vorgestellt habe.
Ich kann nicht glauben, dass ich das sagen muss, aber …
»Ich kann nicht«, erwidere ich. »Ich muss zur Arbeit.«
»Es ist doch Sonntag«, gibt Sara zurück. Ein enttäuschter Ausdruck huscht über ihr Gesicht und macht, dass ich mich wie
Schuld
fühle.
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