Schicksal!
Reisekaffeebecher von Starbucks esse.
»Also, was wolltest
du
werden, als du klein warst?«, frage ich.
Ich versuche tatsächlich immer noch, Sara zu verstehen. Hoffe, dass sie etwas enthüllt, das ein wenig Licht auf ihre Bestimmung wirft. Mir einen Einblick in ihre Zukunft bietet.
»Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich Zigeunerin werden.«
»Zigeunerin?«, frage ich und bin mir nicht sicher, wie mir das weiterhelfen soll.
»Ich wollte durch das Land reisen und Vorführungen für die Leute geben. Sie unterhalten, sie zum Lachen bringen und ihnen Flaschen mit Wasser verkaufen, die sie für magische Tränke halten sollten.«
»Also wolltest du sie für dumm verkaufen«, stelle ich fest.
»Dann wollte ich Nonne werden«, fährt sie ungerührt fort.
»Wieso Nonne?«
»Ich glaube, damit wollte ich wiedergutmachen, dass ich Zigeunerin werden wollte.«
Klingt nachvollziehbar.
»Danach wollte ich Cowgirl, Rockstar, Zahnärztin, Puffmutter, ein menschlicher Kegel, Sängerin in einem Nachtklub, Hundesitterin, Cheerleaderin, Trapezkünstlerin, Taxifahrerin, Paläontologin und Kopfgeldjägerin werden.«
So viel zu dem Plan, durch Saras Vergangenheit etwas über ihre Zukunft zu erfahren.
»Und wie bist du dann in der Immobilienbranche gelandet?«, erkundige ich mich.
»Ich bin da irgendwie reingerutscht. Aber es hat schon etwas Befriedigendes, den Menschen dabei zu helfen, den Ort zu finden, den sie ihr Zuhause nennen können. Es ist, als würde man den Menschen helfen, ihre Träume zu verwirklichen.«
Okay, jetzt kommen wir der Sache langsam näher.
Natürlich: Nur weil Sara ein paar noble Eigenschaften besitzt, erklärt das noch lange nicht, wieso die Menschen ihr auf diese besondere Art begegnen. Ihre Wirkung auf Menschen ist nicht unbedingt eine Reaktion darauf, was sie ist, sondern außerdem auf das, was sie bestimmt ist zu werden.
So nah bei ihr zu sein und trotzdem keine echte Ahnung zu haben, wer sie ist oder wohin sie will, ist aufregend und beunruhigend zugleich. Immerhin bin ich es gewohnt, die Zukunft von dreiundachtzig Prozent der Weltbevölkerung zu lesen und genau zu wissen, wie sich die Dinge entwickeln. Die Unfähigkeit, die Person zu lesen, die man liebt, ist etwas, an das man sich erst gewöhnen muss. Sara ist für mich wie eine leere Mattscheibe: Alles, was ich erkennen kann, ist nur eine milchige Spiegelung der Gegenwart.
Vermutlich sollte ich mir Sorgen darüber machen, dass
Bestimmung
von meinem Interesse an Sara weiß – besonders, wenn man bedenkt, dass ich mich des Eingreifens gleich in mehreren Fällen schuldig gemacht habe. Bis jetzt habe ich die Schicksale von mehr als zweihundert Sterblichen absichtlich verändert. Keine wirklich alarmierende Anzahl im Verhältnis zum großen kosmischen Gefüge. Abgesehen davon habe ich die meisten von ihnen einfach zurück auf ihren ursprünglichen Pfad gesetzt. Aber wenn man bedenkt, welchen Einfluss diese rund zweihundert Leute auf die anderen Menschen haben, mit denen sie in Kontakt kommen, könnte sich die Zahl exponentiell vergrößern.
Wie eine Seuche. Nur dass ich statt Krankheit Hoffnung säe.
Trotzdem: Ich fühle mich großartig, weil ich ihnen geholfen habe. Gestärkt. Unberührbar. Unverwundbar. Was nicht allzu weit hergeholt ist; schließlich bin ich unsterblich. Außerdem habe ich
Bestimmung
seit über einem Monat nicht mehr gesehen. Vielleicht hat sie mich vergessen und sich dafür entschieden, mir meinen kleinen Spaß zu lassen.
»Glaubst du an Bestimmung?«, fragt Sara.
Wenn dir Spaghetti und Fleischbällchen aus der Nase schießen, ist das nicht halb so lustig, wie es sich anhört.
»Bestimmung?«, wiederhole ich hustend.
»Na ja. Der unausweichliche Pfad, der für dein Leben vorbestimmt ist.«
»Das ist Schicksal«, korrigiere ich sie und entferne ein Stück Fleischbällchen aus meinem linken Nasenloch.
»Wirklich?«, fragt sie. »Bist du dir da ganz sicher?«
»Ich bin mir ziemlich sicher.«
»Und was ist dann Bestimmung?«
Ich erkläre ihr den Unterschied, ohne zu sehr ins Detail zu gehen oder
Bestimmung
als Hure zu bezeichnen, was gar nicht einfach ist.
»Am Ende geht es um die Wahl«, sage ich. »Beim Schicksal gibt es keine. Dein Erfolg wird von einer Macht festgelegt, die über deinen Wahlmöglichkeiten steht. Bei der Bestimmung bist du mehr in den Entscheidungsprozess eingebunden.«
»Also ist die Bestimmung besser«, fasst sie zusammen.
»Nun, ich würde nicht so weit gehen, zu
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