Schicksal!
sie zurück.
»Was gibt es da zu verstehen? Du musst mit den Drogen aufhören. Du musst einen Job finden. Und du musst dein Leben wieder auf die Reihe kriegen. Es ist echt ganz einfach.«
»Aber ich weiß nicht, wie«, sagt sie, und erneut fließen die Tränen. »Ich habe so viele Fehler gemacht …«
Ich frage mich, ob Jerry auch so große Probleme hatte, als er Noah dazu bringen wollte, seine Arche zu bauen.
Also stehe ich da und denke nach. Ich überlege, was ich machen kann, um Amanda zu überzeugen, dass die Dinge nicht so hoffnungslos sind, wie sie denkt – und dass sie ihr Leben reparieren kann.
Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
»Jeder macht mal Fehler«, erkläre ich, gehe zu ihr hinüber und knie mich vor ihr hin. »Das gehört einfach zum Menschsein dazu. Aber du hast alles, was du brauchst, um es wieder in Ordnung zu bringen – in dir.«
Saras Worte sind aus meinem Mund gekommen.
»Wirklich?«, fragt sie und sieht zu mir auf. Zum ersten Mal, seit ich aufgetaucht bin, zeigt sich auf ihrem Gesicht etwas, das wie Hoffnung aussieht.
»Wirklich«, antworte ich. »Du hast bloß vergessen, wie man es findet. Aber es ist da.«
Ehe mir selbst klarwird, was ich da tue, strecke ich meinen Arm aus und wische ihr mit dem Daumen die Tränen von den Wangen.
Und dann passiert es. Ihr Schicksal ändert sich. Ich sehe sie clean und nüchtern, sie arbeitet Teilzeit in einem Klamottenladen in der Nähe vom Piccadilly Circus und ist ehrenamtlich in einem Frauenhaus tätig. Ich sehe sogar Potenzial für eine Romanze. Eine leichte Verbesserung ihres ursprünglichen Schicksals, aber nichts, worüber ich mir ernsthaft Sorgen machen muss. Immerhin wird sie trotzdem sterben, ehe sie siebzig wird.
»Wer bist du?«, will sie wissen.
»Ich bin dein Schutzengel«, sage ich und stehe auf. »Also mach keinen Scheiß.«
Und mit diesen Worten löse ich mich in Luft auf.
20
I ch bin in einer Bar in Duluth, Minnesota. Nicht gerade meine erste Wahl, um einen entspannten Vormittag zu verbringen. Aber Darren Stafford hält sich meistens hier auf, seit er seinen Job als Biologielehrer an der Highschool verloren hat – ebenso wie sein Haus, seine Frau und seine Selbstachtung. Und dann ist da natürlich noch die Vaterschaftsklage seiner siebzehnjährigen Top-Schülerin. Im Klartext bedeutet das: Obwohl seine beiden Söhne fast aus der Schule raus sind, wird Darren achtzehn weitere Jahre Alimente zahlen müssen.
Zum Glück für Darren wird man in Minnesota mit sechzehn volljährig. Deshalb muss er nicht in den Knast, weil er eine seiner Schülerinnen flachgelegt hat. Wäre die Kleine allerdings eine Kanadaschnepfe, eine Schneeeule, eine amerikanische Meise oder ein Eistaucher gewesen, stünden Darren sechs Monate auf Bewährung und über hundert Sozialstunden ins Haus. Sex zwischen Menschen und Vögeln ist in Minnesota generell verboten.
Ich hab mir das nicht ausgedacht, ehrlich.
Aber unabhängig davon, wie sehr die sexuellen Vorlieben einiger von der Norm abweichen mögen, staune ich doch immer wieder, wie weit manche Menschen gehen, um ihre Triebe zu befriedigen. Mich haut die Vorstellung jedenfalls um, dass jemand eine Krähe, einen Kolibri oder einen Zaunkönig ansehen kann und sich dabei denkt: »Mmm, sexy. Das wär doch mal was.«
Darren Stafford hingegen steht nicht auf Schnäbel und Federn, soweit ich weiß. Dafür steht er auf Jim Beam. Pur. Und genau jetzt hat er die zweite Runde des Tages, der nicht einmal zwölf Stunden alt ist, fast durch.
»Und was kann ich Ihnen bringen?«, fragt der Barkeeper, ein neunundvierzigjähriger Profimixer, der bei diesem Job bleiben und noch vor seinem sechzigsten Lebensjahr an Lungenkrebs sterben wird.
»Jim Beam«, ordere ich und nehme ein paar Hocker von Darren entfernt Platz. »Pur.«
Ich hasse es, Alkohol ungekühlt oder ohne Eis zu trinken. Allerdings habe ich festgestellt, dass die Menschen mir nicht einfach glauben, wenn ich ihnen erzähle, dass ich weiß, was ihnen zustoßen wird. Deshalb kam mir der Gedanke, dass es nicht schlecht wäre, vorher etwas Vertrauen aufzubauen, ehe ich meine Message an den Mann bringe.
Tatsächlich schaut Darren Stafford in meine Richtung, prostet mir mit seinem nahezu leeren Glas zu und stürzt den Rest seines Jim Beam in einem einzigen Schluck hinunter.
»Und außerdem noch mal dasselbe für den Herrn da drüben«, sage ich zum Barkeeper.
»Mach einen Doppelten draus«, schaltet Darren sich ein, der nun näher an mich
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