Schicksal!
»Ich dachte, wir würden den Tag miteinander verbringen.«
»Ich weiß«, sage ich. »Aber ich muss mich mit einem Klienten wegen internationaler Termingeschäfte und Zukunftsplanungen treffen.«
Das entspricht nicht ganz der Wahrheit, ist aber auch nicht vollkommen gelogen. Außerdem kann ich Sara schließlich kaum erzählen, dass ich das Land verlasse, um
Tod
zu suchen.
Sie stößt sich vom Tisch ab, macht sich nicht die Mühe, ihren Mantel zu schließen, und kommt zu mir hinüber. »Bist du dir sicher, dass du dich nicht krankmelden kannst?«, fragt sie und presst sich an mich.
Angestrengt versuche ich, an Baseball zu denken. An überfahrene Tiere oder an Attila, den Hunnenkönig, in einem Stringtanga. Alles, um mich von Saras nacktem, warmem Körper abzulenken.
»Ich wünschte, ich könnte«, meine ich. »Aber ich muss gehen.«
»Wann bist du zurück?«, fragt sie, legt ihre Arme um mich und hält mich fest. Ihr Atem kitzelt an meinem Ohr.
»So bald wie möglich«, antworte ich. Und das ist nicht gelogen.
Sie lässt los und schaut mich an. Ihr Gesicht ist wie ein außergewöhnliches Kunstwerk – perfekt. Selbst in meiner Vorstellung sehe ich es mit jedem kleinen Detail darin, wenn ich meine Augen schließe.
»Versprichst du, mich später zu stalken?«, fragt sie.
Als ob ich das versprechen müsste.
22
E s gibt ein paar Dinge, die man über Teddy wissen muss.
Zunächst einmal: Selbst wenn er nicht einen fünfhundert Jahre währenden Groll gegen jemanden hegt, der einmal sein bester Freund gewesen ist, kann er ein bisschen griesgrämig rüberkommen. Schließlich ist er
Tod.
Was sein gesellschaftliches Leben ziemlich versaut. Obwohl er gelegentlich Dinnerpartys schmeißt oder den Gastgeber bei Barbecues gibt, hat er es schwer, sich von dem Makel zu lösen, mit dem man ihn assoziiert: das Leben aller Menschen zu beenden. Die meisten der anderen Unsterblichen sind der Meinung, dass Teddys Job eine Last an Schuld mit sich bringt. Wer unzählige Äonen damit verbracht hat, Seuchen, Völkermorde und Terrorismus unter die Menschen zu bringen, neigt irgendwann dazu, einen Hang zu mitleidsloser Müllbeseitigung zu entwickeln.
Teddy hat mir mal erzählt,
Tod
zu sein wäre, als würde man ein Orchester dirigieren, das ewig dieselbe Symphonie spielt. Und dass er sich inzwischen an jeden Takt, jedes Maß und jede Bewegung so sehr gewöhnt habe, dass seine Handlungen ganz automatisch abliefen. Die Inszenierung des Todes ist ihm zur Natur geworden.
Trotz unserer Meinungsverschiedenheit: Teddy ist kein übler Typ. Er wird nur missverstanden.
Es ist ja nicht so, dass er die Menschen dazu zwingen würde, ihre Ernährung auf herzverklumpende Fette umzustellen. Oder auf das Heck von Motorbooten zu klettern, während der Motor läuft. Bis auf Altersschwäche, Flugzeugabstürze und gelegentliche Naturkatastrophen sterben die meisten Menschen heutzutage daran, dass sie schlechte Entscheidungen treffen.
Rauchen.
Komasaufen.
Kugelfisch essen.
Andere Menschen sind einfach von Natur aus dämlich.
Sie trinken und fahren dann Auto.
Sie stecken sich selbst in Brand.
Sie versuchen, eine Kettensäge mit ihrer Femoralarterie zu stoppen.
Und all diese Menschen geben ausgerechnet Teddy die Schuld? Ganz ehrlich: Niemand will heutzutage mehr die Verantwortung für seinen eigenen Tod übernehmen.
Noch bevor
Bestimmung
auf meine Gefühle für Sara aufmerksam geworden ist, habe ich in letzter Zeit oft an
Tod
gedacht. Vielleicht, weil ich mich so gut gefühlt habe. Weil ich meinen Menschen geholfen habe, eine weniger düstere Zukunft zu entdecken. Vielleicht auch, weil ich mich in eine Sterbliche verliebt habe. Oder weil ich nicht will, dass Sara als Kollateralschaden in der Auseinandersetzung von zwei unsterblichen Wesenheiten endet. Und so habe ich mich dazu entschieden, dass es an der Zeit ist, diesen ganzen Kolumbus-Zwist zu beenden.
Deshalb bin ich hier in Wien, in Österreich. Ich stehe vor einem UPS -Zwischenlager, esse Wurst mit Senf, trinke dazu ein Mohren-Pfiff-Bier und beobachte den achtundvierzigjährigen Günther Zivick, der einen Stapel leerer Kartons in die Müllpresse hinter dem Lagerhaus wirft. Günther hat die letzten fünfzehn Jahre für UPS gearbeitet und die hydraulische Presse unzählige Male benutzt. Doch heute steht er kurz davor, das volle Ausmaß seiner menschlichen Dummheit zur Schau zu stellen.
Sobald Günther die Presse mit Kartons vollgestopft hat, wird er sie anstellen, auf den Rand der Maschine
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