Schicksal!
»Ich mag keine Überraschungen.«
Das stimmt. Nach der Zerstörung von Pompeji wollte ich eine Überraschungs-Siegesparty für ihn schmeißen, und er hat den Caterer getötet.
»Was machst du hier?«, fragt er und zieht die Filtermaske nach unten.
Ich öffne den Mund, um es ihm zu erklären, aber es ist gar nicht so leicht, sich bei
Tod
zu entschuldigen. Ich hatte vergessen, wie einschüchternd er sein kann.
»Du hast das Leben dieses Menschen gerettet«, stellt Teddy fest.
Da wir gerade bei unangenehmen Momenten sind: Ich bin hergekommen, um mich mit
Tod
auszusöhnen und ihn in Sachen
Bestimmung
um seine Mithilfe zu bitten. Und was mache ich? Ich rette einen seiner Klienten. Na großartig.
»Na ja … Es sah aus, als könnte es ziemlich schmerzhaft werden«, meine ich. »Und es ist ja nicht so, dass er deshalb deutlich länger durchhalten würde.«
Tatsächlich hat Günther Zivick, obwohl ich ihn heute gerettet habe, nur noch zwei Jahre zu leben. Dann wird man ihn feuern. Er wird im Vollrausch nach Hause torkeln, seine Wohnungsschlüssel verlieren und versuchen, durchs Küchenfenster in seine Wohnung einzusteigen. Auf halbem Wege wird er ohnmächtig werden und mit dem Kopf im Waschbecken landen. Bevor er das Bewusstsein verliert, wird er jedoch noch die Meisterleistung vollbringen, aus Versehen das Warmwasser anzustellen. Und somit wird er sich selbst in seiner eigenen Spüle ertränken.
Teddy stiert mich an, ohne zu blinzeln. Ich hasse dieses Gestarre. Das macht mich total fertig.
»Was hast du so getrieben?«, erkundige ich mich.
»Was ich so getrieben habe?«, wiederholt er, als wollte er mich fragen, ob mir wirklich kein besserer erster Satz einfiele. »Mal überlegen … eine Handvoll Revolutionen, ein Dutzend Bürgerkriege, unzählige Aufstände, einige ethnische Säuberungen, mehrere Weltkriege, Irak, Vietnam, der Mittlere Osten, zahllose Terroranschläge, der Holocaust, ein ganzes Rudel Serienmörder, ein paar Atombomben, Rebellionen, Umstürze, Attentate, Morde, Flugzeugabstürze, Erdbeben, Tsunamis, Wirbelstürme und HIV .«
Okay. Ein bisschen unterschwellige Feindseligkeit. Damit habe ich gerechnet. Das habe ich vielleicht sogar verdient. Aber trotzdem …
»Na ja, wenn du die
Santa Maria
einfach versenkt hättest«, setze ich dagegen. »Oder eine Meuterei angezettelt hättest. Oder das Schiff mit einer Seuche infiziert hättest …«
»Fängst du schon wieder damit an?«, unterbricht er mich. »Da kann ich dagegenhalten – den ganzen Tag, wenn nötig.«
»Sieh mal«, sage ich. »Ich meinte doch bloß, dass …«
»Ich bin nicht derjenige, der seinen besten Freund gebeten hat, die Regeln zu brechen«, fällt Teddy mir erneut ins Wort. »Ich bin nicht derjenige, der seinen besten Freund gebeten hat, das Schicksal der gesamten Menschheit zu verändern. Und ich bin nicht derjenige, der gerade einen Menschen vor einer Müllpresse gerettet hat.«
So, wie er es sagt, klingt das, was ich getan habe, gar nicht mehr so heldenhaft.
Das hatte ich mir nicht so vorgestellt. Ich bin nicht hergekommen, um einen alten Streit aufzuwärmen. Ich bin hier, um die Sache in Ordnung zu bringen. Um mich zu entschuldigen. Um ein neues Bündnis zu schließen. Aber das ist das Problem daran,
Schicksal
zu sein. Manchmal kann ich mich einfach nicht so akzeptieren, wie ich bin.
»Es tut mir leid«, bricht es aus mir heraus. »Wegen Kolumbus. Wegen der fünf Jahrhunderte Krieg zwischen uns. Wegen der Müllpresse. Alles. Ich bin schuld. Es tut mir leid.«
Teddy mustert mich, als wäre er sich nicht sicher, ob er recht gehört hat. »Es tut dir leid?«
Ich nicke.
»Wirklich?«
Ich nicke wieder. »Wirklich.«
»Hand aufs Herz? Bei deinem Leben?«
»Wenn ich ein Herz hätte, würde ich meine Hand drauflegen«, sage ich. »Und wenn ich sterben könnte, dann glaube ich, dass es das ist, was ich geben würde: mein Leben.«
Teddy starrt mich einen Moment lang an, bevor er schließlich nickt, als würde er bestätigen wollen, dass er mir glaubt. Dann, zum ersten Mal seit Jahrhunderten, lächelt er. Es ist zwar nur ein kleines Lächeln, aber trotzdem ein Lächeln. Und so schwer das zu glauben sein mag: Es gibt niemanden im ganzen Universum, der ein so bezauberndes und strahlendes Lächeln wie
Tod
hat.
Ich lächele zurück, und diesmal fühlt es sich nicht gezwungen an.
Wir stehen einfach nur da, und die Stille wird allmählich unangenehm, weil keiner von uns weiß, was er nun tun soll. Ich bemerke, dass Teddys
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