Schicksal!
ein paar Kurze zu kippen am Cinco de Mayo, dem mexikanischen Nationalfeiertag, in Tijuana. Wenn
Karma
betrunken ist, ist er allerdings nicht gut drauf.
Stellt euch jemanden vor, der echt unangenehm laut wird.
Und widerwärtig.
Denkt an einen amerikanischen Touristen.
»Hey, Apu«, meint
Karma
und winkt dem Kellner mit seiner leeren Flasche zu. »Wie wär’s mit noch ’nem Bier?«
Der Kellner, der gerade an einem anderen Tisch eine Bestellung aufnimmt, wirft
Karma
einen geringschätzigen Blick zu. Vermutlich keine gute Idee, denke ich bei mir und behalte recht. Sobald sich der Kellner umdreht, stolpert er und fällt in einen Tisch mit russischen Touristen.
»Also, was ist dein Tipp für dieses große Ereignis, über das Jerry dauernd redet?«, fragt
Karma.
»Ich weiß nicht«, gebe ich zurück und sehe zu, wie sich der Ober bei den Touristen entschuldigt. »Ich hab eigentlich noch gar nicht so richtig darüber nachgedacht.«
Während der letzten Monate hat Jerry ein paar weitere E-Mails wegen seines großen Ereignisses versendet – jede einzelne davon genauso kryptisch wie die erste. Wobei er irgendetwas von bedeutenden globalen Folgen erwähnt hat.
»Tja,
Zufall
verwaltet die Kasse, falls du mitwetten willst«, erklärt
Karma.
»Die meisten tippen auf eine Pandemie, obwohl auch über eine neue Eiszeit und den nuklearen Holocaust diskutiert wird. Und zuletzt habe ich gehört, dass die Quoten für die Rückkehr des Messias zwölf zu eins stehen.«
Die Rückkehr des Messias bekommt immer eine Quote von zwölf zu eins. Ratet mal, warum.
»Also, was sagst du?«, fragt
Karma
und bemüht sich, eine andere Bedienung mit seiner leeren Bierflasche heranzuwinken.
»Was für eine Pandemie?«, erkundige ich mich. »Sprechen wir von einer Grippewelle oder einer Seuche?«
»Spielt keine Rolle«, antwortet
Karma.
»Pandemie ist Pandemie.
Zufall
ist kein Haarspalter.«
Ich hatte mir in letzter Zeit zwar nicht besonders viel Gedanken darüber gemacht, aber eine weltweite Seuche könnte Wunder wirken und mir ein ungeahntes Freizeitkontingent bescheren.
Kurz erwäge ich, mein Geld auf eine Pandemie zu setzen oder vielleicht auf den nuklearen Holocaust. Doch beide Optionen klingen für mich nach schlechtem Karma, also entscheide ich mich für die Eiszeit. Macht nicht so viel her, aber ich halte das für eine relativ sichere Wette. Immerhin hatten wir schon ziemlich lange keine mehr.
»Hallo!«, schreit
Karma
alle an. »Ich verdurste hier hinten!«
Alle Gäste an den anderen Tischen schauen in unsere Richtung. Im hinteren Teil des Restaurants kann ich den Manager erkennen, der mit mehreren Mitgliedern des Bedienungspersonals spricht.
»Du könntest deine Stimme vielleicht ein wenig senken«, rate ich ihm und lehne mich nach vorne. »Die Menschen fangen an, dich zu bemerken.«
»Und es wird auch Zeit, dass sie mich bemerken«, sagt er und schiebt sich eine Gabel Gemüse in den Mund. »Die meiste Zeit laufen sie mit Scheuklappen durch ihr zielloses Leben und sind vollkommen blind dafür, wie ihre Handlungen ihre erbärmliche Existenz beeinflussen.«
Damit dürfte klar sein, warum wir immer so gut miteinander ausgekommen sind.
Ein Kellner bringt
Karma
schließlich ein weiteres Bier, was ihn eine Weile zufriedenstellt. Dadurch bekomme ich endlich die Chance, die Frage zu stellen, die mich beschäftigt, seit Sara gemeint hat, es wäre vorherbestimmt gewesen, dass wir uns begegnen. Klar, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber das war die menschliche Evolution auch.
»Ist es eigentlich möglich, dass ich auf dem Pfad der Bestimmung wandele?«, frage ich.
Karma
leert die Hälfte seines Bieres in einem Zug. »Hast du dich wieder mit
Irrsinn
rumgetrieben?«
Um es auf den Punkt zu bringen:
Irrsinn
ist … na ja, ihr wisst schon …
»Nein«, erwidere ich. »Ich habe mich bloß gefragt …«
»Also dann: Das Prädestinationsgesetz legt ganz klar fest, dass Bestimmung, Schicksal und Karma niemals die Pfade kreuzen, sich denselben Pfad teilen oder auf dem Pfad eines der anderen erscheinen können«, unterbricht er mich. »Das wäre eine kosmische Unmöglichkeit.«
Karma
war schon immer der bessere Schüler von uns beiden.
»Also kann es nicht sein, dass es die Bestimmung eines Sterblichen ist, einen Unsterblichen zu treffen?«, frage ich. »Ich meine: dass es nicht nur seine Bestimmung ist, mich zu treffen, um meine Bestellung aufzunehmen oder mir Getränke zu bringen, sondern … dass unser Aufeinandertreffen einen
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