Schicksalsmord (German Edition)
über uns in einem Baum befunden haben. Der Vorfall liegt fast ein Jahr zurück, und da er mir äußerst unangenehm war, hatte ich ihn inzwischen völlig verdrängt.
An jenem Tag als mein Mann starb, fand ich nun morgens in der Post einen anonymen Umschlag mit eben diesen Fotos. Ich war wie vom Donner gerührt und rief sofort Herrn Scholz an, um mit ihm darüber zu sprechen. Wir verabreten uns für 17:30 Uhr, ich war pünktlich dort und wartete über eine Stunde, doch Herr Scholz kam nicht. Das ist die Wahrheit und es ist der Grund, weshalb mir für die Tatzeit ein Alibi fehlt.“ Ich atmete tief durch und lehnte mich zurück.
Dr. Hoffmann schwieg eine Weile, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Frau Tanner, ich habe durchaus einige Fragen zu Ihrer Darstellung, doch ich möchte sie zurückstellen und zunächst den weitaus wichtigeren Verdachtspunkt mit Ihnen besprechen.“
Ich nickte. Was ich nun zu erklären hatte, belastete mich weitaus schwerer als die peinlichen Fotos. „Meine Mutter“ begann ich bedächtig „ist eine große Tierfreundin, schießt mit ihrer Tierliebe aber manchmal über das Ziel hinaus. Jedenfalls hatte sie den alten, kranken Hund einer Bekannten aufgenommen, der sonst eingeschläfert worden wäre. Sie hat dem Tier damit wahrhaftig keinen Gefallen getan, es hat nur noch fürchterlich gelitten. Ich konnte das einfach nicht mit ansehen und habe sie beschworen, das arme Tier doch erlösen zu lassen. Sie wollte aber absolut nichts davon hören und der Hund quälte sich weiter. Mich hat der Anblick so belastet, dass ich am liebsten nicht mehr nach Hause gefahren wäre. Weil mir das ständig im Kopf herumging, habe ich auch Herrn Scholz davon erzählt. Es wäre doch wohl die beste Lösung, den Hund sanft einschlafen zu lassen, meinte der und hat mir dann ein Fläschchen mit Gift in die Hand gedrückt. Eben jenes, das in dem Wandschrank neben den Fotos gefunden wurde. Ich hätte es nie annehmen dürfen und habe es sofort in dem Wandschrank deponiert, in der Absicht, es Herrn Scholz bei nächster Gelegenheit zurückzugeben. Dummerweise sah ich ihn dann lange Zeit nicht. Trotz seines Leidens hätte ich es niemals fertiggebracht, den Hund zu vergiften. Und es war auch nicht mehr nötig, er starb an einem Virus. Ich weiß ja nicht einmal, ob sich wirklich ein wirksames Gift in dem Fläschchen befindet.“
Dr. Hoffmann versicherte mir sehr ernst, dass es so sei und es sich um die gleiche Substanz handele, durch die mein Mann zu Tode kam, nämlich um Kaliumcyanid, beziehungsweise Zyankali. „Sie haben nicht nur Sachverhalte verschwiegen, Frau Tanner, Sie haben auch bewusst und willentlich die Unwahrheit gesagt“, fuhr er nun nicht weniger streng fort. „Die ganze Zeit über haben Sie behauptet, niemals Gift besessen zu haben, und nun stellt sich das Gegenteil heraus. Das spricht wahrhaftig nicht für sie.“
„Ich weiß“, erwiderte ich und sah dabei bestimmt so unglücklich aus, wie ich mich tatsächlich fühlte, „aber es war mal wieder eine dieser verflixten Zwangslagen. Hätte ich zugegeben, das Gift zu besitzen, hätte ich auch erklären müssen von wem und zu welchem Zweck ich es erhalten hatte. Und das hätte mich doch in ein schlechtes Licht gerückt. Ich wollte meine Bekanntschaft mit Maximilian Scholz nicht öffentlich machen. Und wenn die Idee, den Hund zu vergiften auch von ihm und nicht von mir stammte, so hatte ich sie doch nicht sofort energisch zurückgewiesen. Vermutlich würde man mir nicht einmal glauben, dass der Pudel dann eines natürlichen Todes gestorben ist. Nachprüfen lässt sich da nichts mehr, meine Mutter hat ihn einäschern lassen und die Asche auf dem Grundstück verstreut. Ihn einfach zu begraben, hatte sie wegen anstehender Bauarbeiten abgelehnt. Ich wäre also zu allem Überfluss auch noch mit dem Verdacht behaftet, den Hund umgebracht zu haben. Zwar ist die Tötung eines Hundes juristisch lediglich als Sachbeschädigung zu werten, die Öffentlichkeit würde jedoch ein anderes Urteil über mich fällen: Wer den Hund seiner Mutter vergiftet, der vergiftet auch seinen Ehemann. Das wollte ich mir ersparen.“
Es war nicht erkennbar, ob Dr. Hoffmann meine Argumentation einleuchtete. Er wirkte noch immer sehr verärgert. „Wann genau war das?“, wollte er nun wissen.
Mit diesen Angaben konnte ich ihm dienen. „Im Juni hatte ich mit Herrn Scholz spontan über das Problem mit dem Hund gesprochen, worauf er mir genauso spontan das Gift ausgehändigt hatte. Es
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