Schicksalspfad Roman
Angehörige gewirkt hatte, waren ans Krankenbett des kranken Stars geeilt. Zwei dieser Frauen hatten sich mit Michael Lavender angelegt, der sie für unerwünscht erklärte und durch die Sicherheitsbeamten entfernen ließ.
»Mich überrascht nur, dass es nicht Dutzende waren«, sagte Grace mit einem Anflug von Eifersucht. Sie versuchte, das Ganze positiv zu sehen. »Nicht, dass sechs eine Riesenmenge wäre. Klingt so, als könnte er sich jetzt schon darauf freuen, wieder aufzuwachen.«
»Falls er je wieder aufwacht.«
»Anders!«
»Ich meine ja bloß …«
Grace weigerte sich, derart pessimistisch zu denken. »Meinst du, das waren alles seine Freundinnen?«, fragte sie. »Alle diese Frauen?«
»Warum auch nicht«, entgegnete Anders. »Er ist ja schließlich nicht verheiratet.«
»Doch das bedeutet, dass sein Privatleben ziemlich hektisch ist.«
»Oh, yeah. Hektisch! Der arme Junge.«
Grace lächelte über Anders’ Neid. »Kennst du seine Filme?«
»Ja, meine Frau schleppt mich ständig ins Kino. Ich habe keine Ahnung, was an ihm dran sein soll. So gut sieht er nun auch nicht aus. Findest du nicht, dass seine Augen zu weit auseinanderstehen?«
»Ja, vielleicht«, meinte Grace, eher Anders zuliebe. Eigentlich dachte sie, dass Matt Conner der bestaussehende Mann war, den sie jemals gesehen hatte. Nicht, dass es irgendeine Rolle spielte. Immerhin war Gary nicht gerade
Michelangelos David gewesen. Das Aussehen wurde so leicht überschätzt.
»Verlieb dich bloß nicht in ihn«, warnte Anders sie, und Grace sah, dass er das tatsächlich ernst meinte.
Sie lachte. »Keine Sorge. Ich habe den Job bloß bekommen, weil ich am wenigsten gefährdet bin, mich in ihn zu verlieben!« Damit ließ sie Anders stehen und ging den Gang entlang ins Pavarotti-Zimmer.
Wie Anders gesagt hatte, saß Michael Lavender im Ledersessel neben dem Bett. Er trug einen cremefarbenen Anzug mit einer helllila Krawatte und las in etwas, das wie ein Filmskript aussah. Er wirke, als hätte er eine Woche lang nicht geschlafen.
Als er Grace erblickte, zwinkere er zweimal, ehe er sich erhob. »Oh, Sie sind es«, sagte er dann. »Einen Moment lang glaubte ich, es wäre wieder so ein weiblicher Parasit.« Er hielt das Skript hoch. »Können Sie mir einen Gefallen tun und das Matt heute Nacht vorlesen? Harvey will diesen Film wirklich drehen, und Matt mag die Story. Er hat sie letzte Woche gelesen und gesagt: Ich muss diese Rolle einfach bekommen. Die ist wie für mich gemacht. Daher lese ich es ihm nun vor, und als ich zur ersten Sexszene kam, wurde das EEG plötzlich ganz unruhig.« Lavender wackelte mit dem Finger, um die zackigen Hirnstromkurven anzudeuten. »So, als würde er innerlich irgendwie erregt. Ist das möglich?«
»Wir können da nicht sicher sein«, erwiderte Grace verbindlich. »Die Barbiturate unterdrücken sämtliche Hirnaktivität, daher sind die Messwerte nicht immer ganz zuverlässig.« Beim Sprechen näherte Grace sich dem Patienten, denn sie wollte ihn sehen, ehe sie sich
mit Daras und Fred Hirsch beriet. Es war sonderbar. Da sie nun einen seiner Filme gesehen hatte, betrachtete sie Matt anders als zuvor. Sie konnte seine Stimme hören und ihn sich lebendig vorstellen, was vorher unmöglich gewesen war.
»Sagten Sie, die Messwerte sind nicht zuverlässig?«, fragte Lavender. »Das ist aber tröstlich!«
»Sie fragen besser Dr. Daras«, gab Grace zurück und hielt den Blick auf Matt gerichtet. Es war erstaunlich, wie unschuldig er aussah - es war schwer, in ihm den Partylöwen zu sehen, der er der Regenbogenpresse zufolge war. Er sah aus wie ein Engel.
»Ich habe eine Idee«, sagte Lavender dann. »Wir lesen das Skript zusammen. Sie spielen Melissa Owen, Mrs. Kavakian und die Prostituierte. Wer behauptet hier noch, dass es keine guten Rollen für Frauen mehr gibt?«
Grace setzte ihr professionellstes Lächeln auf. »Sie sollten jetzt wirklich nach Hause gehen, Mr. Lavender. Ruhen Sie sich aus. Matt befindet sich in guten Händen. Und falls es etwas Neues gibt, dann werde ich Sie sofort auf der hinterlassenen Nummer verständigen. Okay?«
»Meinen Sie, ich sollte jetzt gehen?«, fragte Lavender verunsichert.
»Die Besuchszeit ist vorbei. Ich weiß, dass Sie mehr sind als nur ein Besucher, aber wir haben hier auch unsere Regeln. Sie können morgen früh sofort wiederkommen, das ist selbstverständlich. Okay?«
Michael Lavender schnaubte ein wenig vor verletzter Würde und reckte das Kinn vor. »Ich sage ja bloß, wenn
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