Schicksalspfad Roman
sagte der Captain.
»Sie« war ein acht Meter langes weißes Fischerboot mit zwei Außenbordmotoren.
»Ich habe sie vor fünf Jahren erstanden«, sagte der Captain und betrat das Boot. Joanne blieb unsicher am Rand der Pier stehen. Der Captain streckte ihr eine Hand hin. Joanne, deren Erfahrung mit Booten aus zwei Trips mit einer Fähre nach Staten Island bestand, ergriff die große Pranke des Captains und stieg aufs Deck hinab. Er hielt sie ganz fest. Sie spürte seine Kraft, die ihr einen leichten Schauder über den Rücken jagte. Als sie leichtfüßig landete, lösten ihre Hände sich sofort voneinander.
»Danke«, sagte sie.
»Sie macht an die sechzig Meilen pro Stunde«, erzählte der Captain stolz. »Auch wenn größere Wellen aufkommen, sie gleitet einfach darüber hinweg.«
Joanne stellte sich vor, wie sie mit dem Captain am Steuer über eine hohe Brandung flog. Sie konnte das Tempo spüren, das Aufprallen. Es erregte sie.
Sie sagte: »Du fährst also immer hinaus, wenn dir danach zumute ist?«
»Ja, mehr oder minder«, erwiderte der Captain. Er erklärte, dass er das Boot vornehmlich dazu benutzte, um
Privatleute zum Angeln hinauszufahren. Die Leute bezahlten ihn dafür, dass sie Brassen, Flundern, Kabeljau und Blaumarle fangen konnten. Wegen seiner Kreuzschmerzen passierte das dieser Tage nicht sehr oft, aber hin und wieder wurde Nightingales für den Tag geschlossen, wenn er ein paar Angler hinaus in den Sund fuhr.
»Hat das Boot einen Namen?«, fragte Joanne. Da kam eine kleine Brise auf und brachte es zum Schaukeln.
Der Captain blickte mit einem scharfen, wettergeübten Auge zu den sich nähernden Wolken. »Sie heißt Suzanne«, sagte er.
Joanne zog gleich die Verbindung zu der Tätowierung Suzanne auf dem Arm des Captains. Musste wohl seine Frau gewesen sein. »Komisch«, sagte sie dann, »denn ich nenne mein Motorrad Suzi. Suzanne und Suzi. Schöner Zufall.«
Da fuhr ein spektakulärer Blitz über den gesamten Himmel, gefolgt von einem Donnerschlag, bei dem der Boden erzitterte. Instinktiv griff Joanne nach dem Arm des Captains. Sie hasste Gewitter. Die Wolken waren nun von einem bedrohlich düsteren Grau und jagten rasch über den Himmel.
»Wir gehen besser«, meinte der Captain. »Ich helfe dir hinauf.« Dann fasste er Joanne locker um die Hüften und schob sie sanft wieder hoch auf die Planken. Joanne wusste nicht genau, ob sie das unverschämt fand oder es eine ganz normal maritim-ritterliche Geste war.
Anschließend gingen sie rasch über die Pier. Der Himmel war fast schwarz, und man musste die Augen vor dem Staub und Schmutz schützen, als ihnen ein weiterer heißer Windstoß entgegenschlug. Wieder griff Joanne nach
dem Arm des Captains und drückte ihn bei jedem Donnerschlag. Als sie auf der Bay Avenue nur noch ein paar hundert Meter von der Kneipe entfernt waren, konnte sich der Himmel nicht länger beherrschen, und der Regen schüttete nur so herab. »Rennen wir!«, rief Joanne.
Der Captain lachte. »Bist du noch nie von einem Schauer überrascht worden?«, fragte er mit lauter Stimme, um verstanden zu werden. »Das ist eine der besten Freuden des Lebens.«
»Oh, mein Gott«, erwiderte Joanne und ging schnell weiter, hielt sich aber immer noch an dem Captain fest, als würde er sie irgendwie vor der Nässe bewahren. »Ich bin völlig durchweicht!«
Beim nächsten Donnerschlag drängte sie sich enger an den Captain und legte den Kopf an seine Schulter. Er lachte immer noch.
Als sie bei Nightingales ankamen, lachte Joanne ebenfalls. Etwas anderes blieb ihr nicht übrig. Sie blieben im Eingang stehen und sahen dem Schauer zu.
»Ich mag Regen«, meinte Joanne mit einem leichten Schaudern. »Aber ich hasse es, so nass zu sein!«
»Du brauchst was Trockenes zum Anziehen«, meinte der Captain. »Ich leihe dir ein paar Sachen, ein T-Shirt und Shorts, damit du trocken nach Hause kommst.«
Joanne hatte fast vergessen, dass der Captain ja über der Kneipe lebte.Von der Küche aus führte eine Treppe nach oben in seine Wohnung. Schlug er etwa vor, dass sie mit ihm zusammen hinaufging?
Auch wenn seine Absichten ehrlich waren (und Joanne war sich dessen sicher), wurde Joanne erst jetzt bewusst, wie sie sich in dem Regen an ihn geklammert
hatte. Hoffentlich hielt er das nicht für einen Annäherungsversuch.
Sie sagt daher: »Danke, Captain, aber ich muss jetzt nach Hause.«
»Nenn mich doch Hoag.«
»Hoag?«
»Sieht aus, als würde der Regen nachlassen.«
»Stimmt«, erwiderte
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