Schicksalspfad Roman
Joanne. »So stark regnet es nie lange. Hoag.«
»Wie wäre es mit einem Abendessen?«, fragte der Captain. Sie standen etwa einen Meter entfernt voreinander. Der Captain hatte sein nasses, sonnengebleichtes Haar hinter die Ohren gestrichen. Seine Augen waren ebenso grau wie das Meer. Joanne spürte ein seltsames Pochen unter den Rippen.
Sie sagt: »Ich muss jetzt wirklich nach Hause - ich meine, ich muss Suzi abholen. Mein Motorrad. Ich muss zu Donny und es abholen, weil ich nicht will, dass er sich zu sehr daran gewöhnt …« Beim Reden bewegte sie sich langsam rückwärts nach draußen, wo der Regen inzwischen aufgehört hatte. »Vielleicht bis später? Hast du heute Abend geöffnet?«
»Für dich immer«, sagte der Captain und sah sie mit einem Lächeln in den Augen an.
»Gut«, antwortete Joanne und entfernte sich weiter. »Vielleicht bis später.« Dann drehte sie sich um und ging durch den warmen, dampfenden Nieselregen in Richtung Zuhause.
18
A ls Grace und Cherry auf der Station ankamen und über den langen Gang gingen, sahen sie Anders im Stationszimmer zwischen den Akten und Computern. Er sah ausdruckslos zu ihnen herüber - besonders zu Grace - und hob ein Blatt Papier hoch. Rot bedeutete bei der Regierung die höchste Warnstufe vor Terrorismus. Der Terrorist in diesem Fall aber war Michael Lavender. Das Blatt war knallrot - zu Grace’ Bedauern. Anders zog dabei eine Braue hoch und warf einen Seitenblick den Gang entlang zur Pavarotti-Suite.
Grace lachte trotz der Warnung.
»Viel Spaß«, sagte Cherry und betrat eines der Zimmer. Unterwegs hatte Cherry Grace ihren Plan anvertraut, während der Pause hinauszuschleichen und Rick zu treffen. Grace war ein bisschen neidisch gewesen - nicht so sehr auf die Vorstellung, einen Mann zu einem späten Rendezvous zu treffen, sondern auf den jugendliche Wagemut, der dieses romantische Abenteuer ermöglichte. Manchmal dachte sie, sie hätte einfach nicht mehr die Energie zu diesen Spielchen.
Als Grace das Schwesternzimmer betrat, legte Anders die rote Terrorismus-Karte ab und setzte das falsche Lächeln eines Hotelbediensteten auf.
»Hallo«, flötete er. »Willkommen in der Hölle!«
»Was ist denn passiert?«, fragte Grace.
Anders seufzte. »Wo soll ich anfangen? Ach ja, er hat gedroht, mich zu vernichten.«
»Vernichten?«
»Ja, vernichten. Genau das Wort hat er gebraucht.«
»Aber warum?«
»Weil ich mich weigerte, die Magensonde des Patienten auszutauschen.«
»Stimmte denn etwas nicht mit der Sonde?«
»Wusstest du das nicht? So ein Schlauch wird schmutzig, weil, oh, mein Gott, Essen hindurchgespült wird. Und das heißt, irgendein tödlicher Bazillus kann sich in dem Röhrchen entwickeln - wie wir wissen, kommt das ständig vor -, der dann in den Blutkreislauf des Patienten eindringt und ihn umbringt. Daher, Schwester Cameron, müssen wir die Sonde mindestens einmal täglich, wenn nicht sogar zweimal wechseln. Aus hygienischen Gründen.«
»Ach so«, erwiderte Grace. »Danke.« Grace konnte nur hoffen, dass Lavender es nicht mit dem gleichen Blödsinn bei ihr versuchen würde. Ihr war nicht nach einem Streit zumute.
Dann ging sie den Gang entlang zur Pavarotti-Suite, entschlossen, sich nichts gefallen zu lassen, aber als sie die Tür öffnete, sah sie zu ihrer Überraschung, dass Lavender nicht der einzige Besucher war. Grace hatte erwartet, dass Lavender neben dem Bett saß und Matt aus dem Filmskript vorlas oder leise in ein Taschentuch weinte. Aber Lavender schlief auf dem Ledersofa, und neben dem Bett saß ein Mann, den Grace noch nie gesehen hatte. Er war um die sechzig, breitschultrig, mit einem gegerbten Gesicht und rötlichem Haar. Er trug Levis, braune Stiefel und ein rotes Flanellhemd. Er sah mit traurigen, suchenden Augen zu Grace hoch. In den Händen hielt er eine Bibel.
»Hi, ich bin Wade Conner«, sagte er zu Grace mit einem Akzent, der seine texanische Herkunft verriet. »Ich bin Matts Vater.«
»Hallo, ich bin Grace.« Grace fiel auf, wie sehr der Mann Matt ähnelte - das gleiche kräftige, aber fein geschittene Kinn, die schmale, gerade Nase. »Ich kümmere mich nachts um Matt«, fügte sie hinzu. »Haben Sie schon mit Dr. Daras gesprochen?«
»Ja. Ich fand ihn sehr beeindruckend, wenn man das in diesem Zusammenhang sagen kann.«
»Oh ja. Er ist mit Sicherheit einer der besten Neurologen der Welt.« Grace merkte, wie sie Wade Conner beruhigen wollte, auch wenn er unter den gegebenen Umständen bemerkenswert gelassen
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