Schicksalspfad Roman
hatte ein rundes, rosa, haarloses Gesicht, hellblaue Augen und dichtes silbriges Haar. Er wirkte fast wie ein Baby mit seiner weichen, rosigen Haut. Es schien, als hätte er sich nie im Leben rasieren müssen. Sechsundvierzig Jahre lang hatte er bei einer Werbefirma in der Stadt gearbeitet, und er
erzählte Cherry gerne von seinem größten Erfolg, einer Kampagne für Jaguar-Sportwagen. »Sie haben doch sicher den Slogan gehört: »›The Cat is back!‹«, sagte er mit einer Stimme, die immer noch schwach klang. »Das stammte von uns. Ich wollte noch … und gewinnt immer! hinzufügen, weil Jaguar damals gerade das Le-Mans-Rennen gewonnen hatte, aber ich wurde überstimmt.«
Da trat Rick mit der Patientenkarte und einem professionellen Lächeln ins Zimmer, wobei er immer seine schönen weißen Zähne zeigte. Cherry fand es erregend, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Ihren Mann. Sie war sehr stolz auf ihn und auf sich selbst.
»Na, wie geht es heute?«, frage Rick. »Irgendwelcher Schwindel? Kurzatmigkeit? Übelkeit?«
Bei jeder Frage schüttelte Mr. Donahue den Kopf. Dann sagte er. »Ob Sie es glauben oder nicht, ich habe Hunger. Mein Appetit verschwindet immer als Letztes. Wie man leicht erkennen kann.«
»Das halte ich für ein gutes Zeichen«, erwiderte Rick und reichte Cherry die Akte. »Wir möchten Sie ab morgen wieder auf feste Kost setzen. Ihre Frau hat mir erzählt, Sie mögen am liebsten Ente. Ich kenne ein Restaurant in der Nähe, wo sie ausgezeichnete Bratenten machen. Falls Sie morgen Appetit darauf haben, werde ich Ihnen eine hereinschmuggeln.«
»Sie sind ein guter Arzt«, meinte Mr. Donahue. »Und eine Ehre für Ihren Berufsstand.«
Als Rick hinausging, spritzte Cherry Mr. Donahue wie angewiesen ein Blutverdünnungsmittel und zog dann die Vorhänge zu, damit der Bildschirm besser sichtbar war. Anschließend traf sie sich mit Joanne im Schwesternzimmer,
und die beiden gingen zusammen in die Cafeteria. Es war Mittag.
Cherry bestellte sich ein Käsesandwich, Joanne eins mit Hühnchen.
»Na?«, fragte Cherry, »Wie steht’s in Donnyland?«
»Im Vergleich zu hier ziemlich langweilig«, erwiderte Joanne. »Warst du dabei, als Farren Thrush in Matts Zimmer verrücktspielte?«
»Nein«, antwortete Cherry und fragte sich, was Joanne mit langweilig meinte. Sie deutete den Themawechsel als bewusste Ablenkung. Cherry war in letzter Zeit immer neugieriger auf die Beziehungen anderer Frauen geworden. Sie hatte das Gefühl, keine andere konnte jemals so aufregend und vielversprechend sein wie ihre.
»Ich habe nur gehört, dass Farren Michael Lavender angebrüllt hat, er würde ihre Karriere ruinieren«, sagte Joanne. »Vielleicht weiß Grace mehr - sicher erzählt ihr Matt so manches.«
»Ja, vielleicht«, meinte Cherry, die darüber noch nicht nachgedacht hatte. Sie nahm an, dass Matt einfach die ganze Nacht schlief, während Grace las.
»Sie reden sicher miteinander«, sagte Joanne. »Ich hatte noch keine Chance, sie das zu fragen. Und ich will auch nicht, dass sie mich für neugierig hält.«
»Du und neugierig?«, fragte Cherry grinsend.
»Ich kann manchmal ein wenig zu interessiert erscheinen«, sagte Joanne und trank einen Schluck von ihrer Cola. »Aber ich habe Grace’ Grenzen immer respektiert. Hast du dich noch nicht gefragt, was sich zwischen den beiden in der Nacht so ganz alleine alles abspielt?«
»Sicher nimmt sie ihm Blut ab und misst die Temperatur und gibt ihm Medizin. Was soll denn da sonst passieren?«
Joanne zuckte die Achseln. »Wer weiß? Die meisten Frauen scheinen sich in ihn zu verlieben, aber falls es jemanden gibt, der dagegen immun ist, dann wohl Grace.«
Cherry sagte: »Ich finde, sie geben ein sehr hübsches Paar ab.«
»Das braucht Grace gerade noch«, sagte Joanne. »Noch so einen Typen, den sie pflegen muss. Und ich meine das wörtlich.«
»Aber sie hat ihren Mann geliebt«, erwiderte Cherry, »oder?«
»Klar, aber seine Krankheit hat ihr alles abverlangt. Ich hoffe bloß, dass sie nicht in Matt verknallt ist. Der Typ bricht sämtliche Herzen.«
»Verknallt?«, fragte Cherry. »Ist mir da vielleicht etwas entgangen?«
»Nein«, sagt Joanne. »Nur dass sie alle Nächte zusammen verbringen. Oh, und dass Grace sich seine Filme angesehen hat. Sie hat sich ein paar DVDs von mir geliehen und eine liegen gelassen. Oder warst du das?«
»Nein, ich war das nicht«, sagte Cherry.
»Genau. Ich will nur sagen, falls Grace sich tatsächlich in Matt verknallt, dann
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