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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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erkältet hatte.
    Er hatte Kaffee gekocht, bevor sie den Shuttle verließen, der in gut dreißigtausend Kilometer Höhe über dem Planeten in einer stationären Umlaufbahn auf sie wartete, doch der Geschmack war zu bitter gewesen. Hinzu kam: Im Gegensatz zu seinen Freunden hatte er nicht gefrühstückt, worauf ihn jetzt sein Magen knurrend hinwies.
    Es gab bessere Möglichkeiten, um einen Tag zu beginnen, auf den sie sich alle so lange gefreut hatten. Am vergangenen Tag war Tom bereit gewesen, sofort mit einer tollkühnen Abfahrt zu beginnen, aber jetzt schien so etwas kaum mehr eine Rolle zu spielen. Nichts konnte ihn aus seiner schlechten Stimmung reißen.
    Charlie sondierte den Hang mit einem Tricorder, eine
    Sicherheitsmaßnahme, die sie immer ergriffen – auf diese Weise hielten sie nach Instabilitäten Ausschau, die eine Lawine auslösen konnten. »Sieht alles gut aus«, sagte er schließlich und klappte das Gerät zu.
    »Lass es mich überprüfen«, sagte Tom und hörte, dass seine Stimme viel zu scharf klang. Charlies Augen verrieten ein wenig Erstaunen über den Tonfall seines Freundes, reichte ihm aber den Tricorder. Tom nahm eine eigene Sondierung vor, die Charlies Worte bestätigte: Nirgends ließen sich Instabilitäten feststellen. Er verstaute das Ortungsgerät in seinem Rucksack und nickte den anderen zu. Sie überprüften noch einmal Skier, Brillen und Stöcke, wandten sich dann an Bruno, der bei der ersten Abfahrt die Spitze übernahm – bei dieser Aufgabe wechselten sie sich ab.
    Mit einem lauten Juchzen, das zwischen den Bergen
    widerhallte, sprang Bruno vor und ließ seine Skier durch den pulvrigen Schnee gleiten, der wie Staub hinter ihm aufstieg.
    Odile folgte ihm, dann Charlie und schließlich Tom.
    Innerhalb weniger Minuten verbesserte sich seine Stimmung.
    Die Schönheiten des Tages erwiesen sich als unwiderstehlich: kobaltblauer Himmel, unberührter Schnee, das wundervolle Gefühl, über den Hang in die Tiefe zu sausen, die Stille der Berge… Zum ersten Mal seit Tagen dehnte sich Frieden in Toms Selbst aus und vertrieb die bittere, dunkle Galle des Zorns. Er entspannte sich und genoss das Tiefschneefahren, das eine besondere Navigation erforderte: Man musste sich auf sein Gefühl verlassen, denn die Skier verschwanden im Schnee. Diese Art des Skilaufens entsprach genau Toms Bedürfnissen: Sie zwang ihn, sich zu konzentrieren, die Gedanken an seinen Vater zu verdrängen.
    Nach fünfzehn Minuten verlor der vor ihm fahrende Charlie das Gleichgewicht und stürzte. Tom bremste, konnte ihm aber nicht ausweichen und gemeinsam rutschten sie durch den weichen Schnee. Keiner von ihnen fiel hart und sie lachten wie Kinder. Tom griff nach einer Hand voll Schnee und wusch damit Charlies Gesicht, als sie hin und her rollten; sie rauften wie damals, als sie vier oder fünf Jahre alt gewesen waren.
    Odile und Bruno warteten geduldig etwas weiter unten am Hang. Es dauerte nicht lange, bis Charlie und Tom nach ihren Stöcken griffen, aufstanden und die Abfahrt fortsetzten.
    Eine weitere halbe Stunde verging, und dann sah Tom, dass Bruno und Odile neben einer großen Mulde angehalten hatten
    – offenbar fürchteten sie die Gefahr einer Lawine. Tom näherte sich ihnen, begleitet von Charlie, und griff nach seinem Rucksack.
    Odile bemerkte seinen Gesichtsausdruck und fragte: »Stimmt was nicht?«
    »Mein Rucksack ist weg. Vermutlich habe ich ihn verloren, als Charlie und ich durch den Schnee gerutscht sind.« Er sah an den Hängen hoch, in die Richtung, aus der sie kamen. Es gab keine Möglichkeit, zur Stelle des Sturzes zurückzukehren
    – er hatte nicht einmal die Möglichkeit, dem Transporter an Bord des Shuttles die Koordinaten zu übermitteln.
    »Diese Formation macht mir ein wenig Sorgen«, sagte
    Bruno. »Wenn der Schnee instabil ist, fordern wir
    Schwierigkeiten geradezu heraus.«
    »Nun, damals, als es noch keine Tricorder gab, waren
    Skiläufer trotzdem imstande, Instabilitäten auszuweichen«, meinte Tom. Er wollte auf keinen Fall abbrechen, denn zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich besser. Die aufregende Abfahrt hatte den Zorn aus ihm vertrieben, doch die Aussicht, den Ausflug vorzeitig zu beenden, ließ ihn zurückkehren.
    Nein, der Ausflug durfte nicht schon jetzt enden.
    »Gib mir deine Schaufel«, wandte er sich an Bruno, der ihm das kleine, kompakte Werkzeug sofort reichte. Tom begann damit, eine Grube im Schnee auszuheben. Er arbeitete, bis sie etwa anderthalb Meter tief und einen

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