Schicksalspfade
verbranntem Fleisch wahr.
Eine glühende Kohle formte sich in seinem Bauch. Er wusste nicht, was es damit auf sich hatte; sie war ihm völlig fremd.
Sie schmerzte und gleichzeitig wirkte sie seltsam befriedigend.
Im Lauf der Zeit wuchs sie immer mehr, verbrannte ihn von innen her, übernahm ihn vollständig, entzündete sein Gehirn und kochte das Herz.
Es war Zorn.
Noch Wochen nach der Katastrophe half ihm der Zorn, bei Kräften zu bleiben. Der Krieg war zu Ende gegangen – Talax hatte sofort kapituliert und wurde dadurch praktisch zu einem haakonianischen Außenposten. Die Waffe, so erfuhren sie, hieß »Metreonische Kaskade« und war entwickelt worden, um den Krieg schnell zu beenden.
Neelix erklärte sich dazu bereit, an einer Rettungsmission teilzunehmen, und er gehörte zu den Ersten, die den Fuß auf den verheerten Mond setzten. Noch immer brannten Feuer auf Rinax; der Geruch konnte einem über Jahre hinweg Albträume bescheren. Es war der gleiche Geruch von verbranntem
Fleisch, der ihn in der Hütte erwartet hatte, damals, bei der Begegnung mit dem gefesselten Mann. Wolken aus beißendem Rauch trieben langsam dahin, wie dunkle Blumen des Unheils.
An einem solchen Ort konnte es kein Leben geben.
Neelix und seine Freunde gingen weiter. Sie versuchten sich von dem schrecklichen Anblick nicht zu sehr erschüttern zu lassen, atmeten durch feuchte Taschentücher, um sich
zumindest ein wenig vor dem schrecklichen Geruch zu
schützen. Schon bald wurde ihnen klar, dass die Suche nicht langen dauern würde, denn von Rinax war praktisch nichts übrig.
Das Haus von Neelix’ Familie existierte nicht mehr. Nicht einmal das Fundament war verschont geblieben – nur ein großer schwarzer Fleck wies darauf hin, dass an dieser Stelle etwas gebrannt hatte. Auch Vaxis Haus war verschwunden und nur eine leere Mulde erinnerte an den Teich, in dem sie als Kinder gebadet hatten.
Jemand wies darauf hin, dass sie sich in unmittelbarer Nähe des Ortes befanden, an dem die Explosion der Waffe
stattgefunden hatte. Neelix hielt das für eine gute Nachricht, denn es bedeutete, dass seine Familie von einem Augenblick zum anderen ausgelöscht worden war, ohne zu leiden. Seine Eltern und Schwestern weilten jetzt im Jenseits, im Leben nach dem Tod, und eines Tages würde er sie dort wiedersehen. Er versuchte, sich von diesem Gedanken Trost spenden zu lassen, als sie den Weg durch eine schwarze, verbrannte Landschaft fortsetzten.
Nach einer Weile hörte Neelix ein Geräusch, das aus einer Rauchwolke kam. Zuerst glaubte er, dass es von einem Vogel stammte, und er fragte sich verwundert, wie ein Vogel imstande gewesen war, eine derartige Katastrophe zu
überleben.
Dann sah er Gestalten, die sich aufreizend langsam näherten, als müssten sie bei jedem Schritt durch unsichtbaren Schlamm stapfen.
Sie sahen schrecklich aus.
Verbrannte Haut hatte die Farbe von Schiefer angenommen, hing in Fetzen von Körper und Gliedmaßen. Das breiige Fleisch darunter war so sehr angeschwollen, dass es den Eindruck erweckte, jederzeit platzen zu können. Flüssigkeit hatte sich darin angesammelt. Dort, wo sich einst Gesichter befunden haben mochten, zeigten sich Fratzen aus
schwammigem Gewebe, eine Masse, die so aussah, als hätte jemand einen Löffel hineingesteckt und umgerührt.
Mehrere Öffnungen zeigten sich darin, waren aber so
verzerrt, dass sie sich nicht als Augen oder Mund identifizieren ließen. Doch aus einem dieser Löcher kam ein animalisch klingendes Stöhnen, das dazu führte, dass sich die Haarbüschel an Neelix’ Kopf versteiften.
Eins der Ungeheuer hielt direkt auf ihn zu. Es hatte keine Augen mehr, schien die Mitglieder der Rettungsgruppe nur zu hören, nicht aber zu sehen. Mit ausgestreckten, verunstalteten Armen wankte es heran. Neelix wich zurück und fürchtete plötzlich, von dem Monstrum berührt zu werden.
»Wahhhh… wahhh…«
Lippen, Zähne und Zunge schienen miteinander
verschmolzen zu sein, aber trotzdem identifizierte Neelix die Stimme als die eines Kindes. Verblüfft starrte er die Gestalt an.
Das Kind deutete auf seinen entstellten Mund. »Wahhh…
wahhh…«, wiederholte es und plötzlich begriff Neelix, dass das arme Geschöpf um Wasser bat. Er holte seine Feldflasche hervor, öffnete sie und bot sie dem Kind an.
Es konnte sie nicht sehen.
Neelix hob die Flasche an die Reste der Lippen und ließ Wasser in den Mund tropfen. Das Kind trank, doch nach wenigen Sekunden hustete es – das Schlucken
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