Schicksalspfade
imstande zu sein.
Eine Woche nach ihrem Eintreffen im Ogla-Lager sah sie zum ersten Mal, wie Jabin Gannit trank. Sie lag erschöpft auf ihrer Matte, als er ihren Namen brüllte. Sofort sprang sie auf und eilte in das Zimmer, das ihm als »Büro« diente.
»Ja, Maje?«, fragte sie beim Eintreten. Er stand auf, schwankte aber. Seine Augen waren gerötet, und als er sprach, mangelte es den einzelnen Worten an Deutlichkeit.
»Kleine Ocampa«, begann er und schien dann zu vergessen, was er als Nächstes sagen wollte. Er ließ sich auf eine niedrige Sitzbank an einer Wand des überfüllten Zimmers sinken, hob die Hand und gestikulierte vage. Kes vermutete, dass er sie einlud, ihm gegenüber Platz zu nehmen. Schnell kam sie der Aufforderung nach.
»Wollte nicht… allein sein. Heute Abend.« Jabin stockte immer wieder und lallte. Kes hatte ihn noch nie zuvor so erlebt und fragte sich verwundert, ob er krank war.
»Eine Frau… versteht. Du verstehst. Nicht wahr?« Er klang wie ein verwirrtes Kind, und wenn Kes ihn nicht so sehr gehasst hätte, wäre sie vielleicht bereit gewesen, ihm mit Anteilnahme zu begegnen.
»Das hoffe ich, Maje«, erwiderte sie vorsichtig. Wenn sie diese Begegnung hinter sich bringen wollte, ohne dass Jabin sie schlug, musste sie ihre Worte sorgfältig auswählen, um ihn nicht zu verärgern.
Doch Jabin war an diesem Abend ganz auf sein Selbstmitleid konzentriert. »Ich hätte… der mächtigste alle Maje sein sollen… Warum bin ich hier, auf diesem verdammten Planeten ohne Wasser… ohne Familie… Ich hatte einmal eine
Familie… Wusstest du das?«
»Nein, Maje.«
»Eine Frau… zwei Söhne… Von den Nistrim umgebracht.
Niedergemetzelt. Ich träume noch immer von ihnen.«
»Das tut mir Leid.«
Jabin brummte, stand auf und wankte zu einem Tisch. Er griff nach einer dunklen Glasflasche, trank kurz, stöpselte sie wieder zu und stellte sie auf den Tisch zurück. Mit einem reumütigen Lächeln sah er Kes an. »Morgen bezahle ich hierfür. Meine Kehle… wird trockener sein… als der Sand dort draußen. Aber manchmal…« Er sprach nicht weiter, kehrte zur Bank zurück und streckte sich auf ihr aus. Kes saß ganz still und beobachtete, wie sich seine Lider senkten. Erst als er laut schnarchte, wagte sie es, den Raum zu verlassen.
Am nächsten Morgen war Jabin in einer schrecklichen
Stimmung und selbst seine Männer hielten sich von ihm fern.
Er beanspruchte die Wasserrationen mehrerer Personen, auch die von Kes, um seinen großen Durst zu stillen.
Der zweite Rausch des Maje – inzwischen wusste Kes, was mit ihm geschah – bescherte ihr größere Probleme. Er rief sie zu sich, als noch nichts auf Müdigkeit hindeutete, und bedeutete ihr, sich neben ihn auf die Bank zu setzen. In der einen Hand hielt er eine mit Gannit gefüllte Tasse, an der er immer wieder nippte, während er sich selbst, seinen Mut und seine Schlauheit rühmte.
»Eines Tages werden die Ogla eine Vormachtstellung unter den Kazon erringen«, verkündete Jabin. Er schien erregt zu sein, vor Kraft geradezu zu platzen, und Kes’ Besorgnis wuchs. In einer solchen Stimmung war er besonders
unberechenbar. »Nur wir können Cormalin liefern, und wenn ich den Markt richtig manipuliere, kommen alle zu mir und betteln.« Er trank einen ordentlichen Schluck und tastete nach Kes’ Hüfte.
»Wenn die Minen nichts mehr hergeben, verlasse ich den Planeten und kaufe mir mit dem Cormalin Kriegsschiffe, mit modernen Waffen ausgestattet. Und dann schlage ich zu.«
Jabin unterstrich seine Worte, indem er mehrmals Kes’
Oberschenkel drückte. Galle stieg in der Ocampa empor und verzweifelt suchte sie nach einer Möglichkeit, dem Ogla zu entkommen.
»Sie sind sehr klug, Maje«, sagte sie, stand auf und griff nach seiner Tasse. »Ich hole Ihnen noch etwas.« Sie ging zum Tisch, füllte die Tasse mit Gannit, kehrte dann zurück und zwang sich zu lächeln. Ruckartig hob Jabin die Hand, griff nach ihrem Arm und zog sie zu sich auf die Bank.
»Ich fühle mich einsam«, sagte er. »Ich hatte einmal eine Familie… eine Frau, zwei Söhne…«
»Ich weiß.«
Er richtete einen erstaunten Blick auf sie.
»Woher kannst du das wissen? Ich habe es nie erwähnt.«
»Verzeihen Sir mir, Maje, aber an einem anderen einsamen Abend haben Sie mir davon erzählt. Die Nistrim brachten sie um.«
Er starrte sie verdutzt an. »Das stimmt«, bestätigte er schließlich. »Aber ich erinnere mich nicht, mit dir darüber gesprochen zu haben. Ich
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