Schicksalspfade
Kes. Sie konnte sein Gesicht jetzt erkennen: Es hatte die Farbe von altem Leder und wirkte zerfurcht. Falten umgaben die kleinen Augen, von der Art, wie sie im Gesicht eines Ocampa erschienen, für den das
Morilogium begann. Vielleicht geschah so etwas mit Leuten, die im hellen Sonnenschein lebten.
»Woher kommst du, kleines Ding?« Ein unangenehmer
Geruch ging von dem Mann aus und sein Atem roch noch
abscheulicher. Kes wandte instinktiv den Kopf zur Seite.
Plötzlich spürte sie eine raue Hand am Kinn und ihr Kopf wurde in Richtung des Sprechers gedreht. »Ich habe dich etwas gefragt«, sagte der Mann scharf und hielt noch immer ihr Kinn.
»Ich habe dir zuerst eine Frage gestellt. Wenn du sie beantwortest, gebe ich dir ebenfalls Antwort.« Kes sprach diese Worte mit dem ganzen Mut, den sie aufbringen konnte.
Er starrte sie kurz an, lachte dann schallend. »Sie ist ein mutiges kleines Ding. Jabin wird sich freuen. Kehren wir zum Lager zurück.«
Kes wurde hochgehoben und quer auf den Rücken des großen Tiers gelegt, das grunzte und schnaufte, bis der Mann hinter ihr aufstieg. Und dann ritten sie durch die Wüste.
Heißer Wind strich Kes durchs Gesicht und die
Erschütterungen ließen ihre Zähne klappern, als sich der Rücken des Tiers unter ihr immer wieder hob und senkte. Zwar empfand sie Furcht, aber es regte sich auch eine seltsame Art von Begeisterung ihr. Wie aufregend, auf einem vierbeinigen Tier durch die Wüste zu sausen! Derzeit schien es keine Rolle zu spielen, was sie am Ende des Ritts erwartete.
Nach wenigen Minuten sah Kes etwas, bei dem es sich um ein Gebäude zu handeln schien. Als sie näher kamen, stellte sie fest, dass es Ruinen waren, Reste von Bauwerken. Unweit davon bemerkte die Ocampa einige improvisiert wirkende Hütten und Schuppen, die eher zu den wild wirkenden
Männern mit dem bizarren Haarschmuck zu passen schienen.
Dort fand der Ritt ein Ende. Die beiden Männer stiegen ab, zogen Kes vom Rücken des Tiers herunter und zerrten sie in eins der schäbigen Gebäude. Sie spürte, wie die Temperatur sank. Zuerst schien es zu dunkel zu sein, als dass sie irgendetwas hätte erkennen können, aber nach und nach wurde es heller. Kes schloss daraus, dass ihre Augen imstande waren, sich verschiedenen Lichtverhältnissen anzupassen. Auf der anderen Seite des Raums saß ein weiterer großer Mann auf einem Stuhl, das eine Bein über die Armlehne gelegt – mit seiner Haltung wirkte er träge und arrogant. Er roch nicht besser als die anderen.
Die beiden Reiter führten Kes zu dem Mann und ließen dann ihre Arme los. Der Fremde setzte sich neugierig auf und musterte die Ocampa.
Kes beschloss, erneut in die Offensive zu gehen.
»Ich möchte wissen, wer Sie sind und warum man mich
hierher gebracht hat«, sagte sie und war froh darüber, dass ihre Stimme diesmal fest klang. Der Mann lächelte, aber sein Lächeln wirkte ganz und gar nicht freundlich.
»Oh, wie du wünschst, junge Dame. Ich bin Jabin. Diese Männer arbeiten in den Minen, unter meinem Kommando.
Klugerweise haben sie dich hierher gebracht, weil sie begriffen, dass du mir von großem Nutzen sein kannst.«
»Gehören Sie zu den Kazon?«
Der Mann lächelte erneut und diesmal sah Kes die braunen Flecken an seinen Zähnen. »Ja. Wir sind Kazon-Ogla, die stärkste und mutigste aller Sekten.«
Ein flaues Gefühl entstand in Kes’ Magengrube. Es stimmte tatsächlich – die Kazon trieben sich noch immer auf der Oberfläche des Planeten herum. Hielten sie die Ocampa nach wie vor für ihre Feinde? »Was meinen Sie mit ›großem
Nutzen‹?«, fragte sie.
Jabin beugte sich vor und berührte ihr Gesicht, drehte es erst zur einen Seite und dann zur anderen. »Ich meine es
wortwörtlich. Du wirst mir ein gutes Dienstmädchen sein.«
Kes zog den Kopf abrupt zurück. »Ich habe nicht die Absicht, in Ihre Dienste zu treten«, erwiderte sie scharf und wollte darauf hinweisen, dass sie auf keinen Fall alles mit sich geschehen lassen würde.
Ein heftiger Schlag traf Kes an der Seite des Kopfes und sie fiel der Länge nach zu Boden. Ihr Ohr schien in Flammen zu stehen. Sie tastete danach und versuchte, den Schmerz zu unterdrücken, als Jabin vor ihr stand. »Damit kein Zweifel besteht: Alle Personen in diesem Lager gehorchen mir und du wirst da keine Ausnahme bilden. Hast du verstanden?«
Kes nickte, aber Jabin trat ihr ans Schienbein: Sie schrie auf, als neuer Schmerz in ihr explodierte, heißer und heftiger als der im Ohr.
»Wenn
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