Schicksalspfade
wuchs oben aus seinem Schädel und reichte über den Rücken. Seine Augen zeigten eine Mischung aus Gelb und Orange und ihr Blick offenbarte die gleiche Freundlichkeit wie die Stimme. Ein Gefühl des Friedens entstand in Kes, als sie ihn ansah, und sie glaubte, den Grund dafür zu erkennen: Der Fremde war ein von Natur aus guter Mann.
Jabin deutete zum Wasserfass und Kes begriff, dass er sich von ihr bedienen lassen wollte. Sie füllte zwei Tassen, eine für den Maje, die andere für den Besucher, wich dann zurück und hoffte, Jabins Aufmerksamkeit zu entgehen.
Der andere, kleinere Mann starrte sie verblüfft an. Jabin lachte. »Sie ist sehr schön, nicht wahr? Aber damit hören ihre Vorzüge auch schon auf. Als Sklavin ist sie völlig wertlos.
Ermüdet zu schnell, hält keine Hitze aus und hat überhaupt keine Kraft.«
»Das sehe ich«, sagte der Besucher. »Sie ist sehr zart und vielleicht krank. Ich könnte Arbeit in einem Haushalt für sie finden – falls Sie bereit sind, sie zu verkaufen.«
Kes konnte kaum an sich halten, als sie diese Worte hörte.
Bot ihr der Besucher die Möglichkeit, das Lager der Kazon zu verlassen? Mochte Jabin bereit sein, sie gegen Wasser einzutauschen? Sie war so aufgeregt, dass sie die nächsten Worte nicht verstand. Als sie wieder lauschte, vernahm sie etwas, das ihre Hoffnung zerstörte und sie mit Verzweiflung erfüllte.
»Als Arbeiterin ist sie für mich nichts wert«, sagte Jabin.
»Aber sie verfügt über Informationen, die ich von ihr haben will. Bisher hat sie sie nicht preisgegeben, doch ich kenne gewisse Methoden, um sie zum Sprechen zu bringen.«
Er hatte seine Drohung vom vergangenen Abend nicht
vergessen und beabsichtigte nach wie vor, Schreckliches mit ihr anzustellen, damit sie ihm die Tunnelöffnung zeigte. Wie sollte sie sich schützen? Panik quoll in ihr empor und sie kämpfte dagegen an. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, um einen Plan zu entwickeln, sich irgendetwas einfallen zu lassen. Die Verzweiflung veranlasste sie, ihr Selbst zu erweitern und dem Besucher einen Gedanken zu schicken.
»Bitte… hilf mir…«
Der Fremde wandte sich ihr zu und blinzelte. Sie wusste, dass er ihren Gedanken empfangen hatte, und das beruhigte sie.
»Schicken Sie sie fort, Jabin«, sagte der Mann. »Ich möchte allein mit Ihnen reden.«
Der Maje winkte und Kes verließ den Raum, trat ins heiße Gleißen der Sonne. Es erleichterte sie, nicht mehr in Jabins Nähe zu weilen. Worüber sprachen die beiden Männer?
Warum hatte der Fremde den Kazon aufgefordert, sie
fortzuschicken? War er vielleicht nicht so freundlich, wie Kes glaubte? Wollte er Jabin dabei helfen, irgendwelche Qualen für sie vorzubereiten?
Nein. Sie hielt an der Überzeugung fest, dass er ein guter Mann war. Diesen Eindruck hatte sie sofort gewonnen, und sie vertraute ihrem Instinkt. Sie hoffte inständig, dass er imstande war, sie vor der Folter zu schützen und vielleicht sogar fortzubringen. Mit diesem Gedanken tröstete sie sich, als die anderen Ogla näher kamen und anzügliche Bemerkungen über sie machten.
Kurze Zeit später verließ auch der Besucher das Gebäude, blinzelte im grellen Licht der Sonne und hielt nach Kes Ausschau. Ihre Blicke trafen sich und die Ocampa schickte eine weitere mentale Botschaft. »Ich spüre, dass ich dir vertrauen kann.«
Der Mann trat auf sie zu. »Das kannst du wirklich«, sagte er offen und ehrlich. »Ich bin ein Freund. Komm, lass uns gehen und miteinander reden.« Als sie außer Hörweite der Ogla-Schürfer waren, fuhr er fort: »Ich habe Jabin angeboten, mit dir Freundschaft zu schließen, sodass du mir verrätst, wo sich der Tunnelzugang befindet. Wir können ihn eine Zeit lang
hinhalten, bis ich eine Möglichkeit finde, dich von diesem Planeten fortzubringen.«
Kes war so erleichtert, dass sie fast stolperte. Ihr wurden die Knie weich und der Mann griff nach ihrem Arm, stützte sie.
»Danke«, hauchte sie. »Jabin wollte mich foltern.«
»Ich weiß. Das konnte ich nicht zulassen.«
Sie klammerte sich an seiner Hand fest. »Ich kenne deinen Namen nicht«, sagte sie.
»Ich heiße Neelix.«
»Und ich Kes. Du bist ein guter Mann.«
»Ich wünschte, du hättest Recht.«
»Es stimmt. Ich habe es sofort gespürt, als ich dich sprechen hörte. Du bist die erste gütige Person, der ich begegne, seit ich die Stadt im Innern des Planeten verlassen habe.«
»Erzähl mir von ihr. Hast du dein ganzes Leben unter der Oberfläche verbracht? Bist du nie im
Weitere Kostenlose Bücher