Schicksalspfade
versuchte? »Ich möchte dir nicht schaden, Sophie«, versicherte er ihr. »Aber es wird klar, dass unser
Zusammensein dir großen Schaden zufügt. Das verletzt nicht nur deine Integrität, sondern auch meine – wir befinden uns in einer unerträglichen Situation.«
»Verlass mich nicht«, hauchte Sophie. Die Schatten des Abends, die den Pavillon umhüllten, schienen ihre Stimme aufzusaugen. »Bitte.«
Tuvok nahm zufrieden zur Kenntnis, dass ihn Sophies
unziemliches Flehen nicht beunruhigte. Es gab wieder
Ordnung im Universum und er sah sie ganz deutlich, nachdem er sie für einen Moment aus den Augen verloren hatte. Einen solchen Effekt konnten Menschen auf ihn haben; er musste eine Möglichkeit finden, ihn zu eliminieren.
»Wen ich Surak folgen will, so muss ich seinen Lehren gerecht werden. Ich darf einer anderen Person nicht schaden, ihr keine Schmerzen bereiten, denn so etwas beschleunigt die Entropie, den Hitzetod des Universums.«
Sophies schlanker Leib begann zu zittern und Tuvok spürte den heftigen Kampf in ihr – sie versuchte, das emotionale Chaos in ihrem Innern unter Kontrolle zu bringen. Schließlich atmete sie dreimal tief durch und sah ihn an.
»Ich biete dir Frieden«, sagte sie und zitierte Surak. »Und noch einmal Frieden, bis ich sterbe.«
»Und auf diese Weise wirst du Frieden finden«, erwiderte Tuvok. Dann drehte er sich um und verließ den Pavillon. Es war seine letzte Begegnung mit Sophie.
»Ich kann nicht länger unter Menschen leben. Sie
beschleunigen den Hitzetod des Universums.«
Sechs Jahre waren seit dem Ende von Tuvoks Ausbildung an der Starfleet-Akademie vergangen und er stand im
Empfangszimmer seines Elternhauses auf Vulkan. Er empfand die vertraute Hitze als sehr angenehm; die Rückkehr nach Hause kam einer Erleichterung gleich. T’Khut stand hoch am Himmel, hing bedrohlich über ihnen. Auch die große Scheibe wirkte auf willkommene Weise vertraut.
Nach dem Ende der Akademie-Ausbildung hatte Tuvok das Studium fortgesetzt und sich dabei auf Taktische Strategie und Waffentechnik spezialisiert. Es folgten drei Jahre Arbeit an Bord der U.S.S. Excelsior unter dem Kommando von Captain Hikaru Sulu, eine Zeit, die er ebenfalls in unmittelbarer Nähe von Menschen verbringen musste.
Die Erfahrungen an Bord der Excelsior blieben ohne Einfluss auf seine grundsätzliche Meinung: Die Terraner waren
gesellig, tapfer und auch klug, aber sie ließen sich von Emotionen leiten. In ihrer Gesellschaft fiel es ihm immer schwerer, die strengen Regeln des Cthia zu achten. Es kostete ihn mehr und mehr Kraft, zersplitterte seine Gedanken.
Er sehnte sich nach Ruhe, nach einer Möglichkeit, in sich zu gehen. Er hatte begonnen, von der Wüste zu träumen, von ihren vielen Geheimnissen und ihrer weiten Stille. Es war ein Ort der Läuterung. Die Wüste vertrieb Verwirrung und
Unruhe, füllte das Selbst mit reiner Gelassenheit.
Als die Excelsior zur Erde zurückkehrte, nahm er seinen Abschied von Starfleet und kehrte an Bord des ersten Schiffes, das Passagiere beförderte, nach Vulkan zurück. Je mehr sich das Raumschiff seiner Heimatwelt näherte, desto sicherer wurde Tuvok, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
Als er einige Tage später vor seinen Eltern stand, bestimmten Klarheit und Zielstrebigkeit sein Denken.
»Ich habe eure Wünsche erfüllt und den Horizont meiner Erfahrungen erweitert. Inzwischen bin ich erwachsen und muss meinen Weg selbst bestimmen. Ich habe beschlossen, das Kolinahr zu studieren.«
Tuvok glaubte, so etwas wie Stolz im Gesicht seines Vaters zu erkennen, aber ihn besorgte vor allem die Reaktion seiner Mutter. Er hatte seine Entscheidung bereits getroffen, ganz gleich, was seine Eltern davon hielten. Aber ihre Zustimmung wäre ihm lieber gewesen, denn er wollte sich nicht mit elterlicher Missbilligung belasten.
Deshalb war er zufrieden, als seine Mutter kurz nickte und damit ihr Einverständnis signalisierte. »Und wo möchtest du deinen Studien nachgehen?«
»Im Tempel von Amonak«, antwortete Tuvok. Er galt als der strengste aller Kolinahr-Tempel und dort konnte er sich von M’Fau unterrichten lassen. Es war der Tempel, den Sophie besucht hatte. Zwei Jahre würde er vom Rest des Universums isoliert hinter den Mauern verbringen, bevor er für einen kurzen Abstecher in die Welt zurückkehren durfte. Seine Eltern hätten sicher einen weniger strengen Orden für die Studien vorgezogen. Er war ihr einziges Kind und nach zehn Jahren heimgekehrt.
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