Schicksalspfade
widmen.
Eines Tages wanderte er allein durch einen Säulengang, der den Tempel umgab, und dachte über eine bestimmte Stelle in Suraks Schriften nach, die einen logischen Fehler zu enthalten schien. Plötzlich hörte er das Geräusch spielender Kinder. Sie gehörten zum Sommerprogramm, das M’Fau leitete – das
gleiche Programm, an dem einst Sophie Timmins
teilgenommen hatte. In jedem der vergangenen sechs Jahre waren Kinder im Bereich des Tempels zugegen gewesen.
An diesem Tag aber fand Tuvok die Geräusche störend,
obgleich ihm der Grund dafür unklar blieb. Etwas Vages und Unangenehmes manifestierte sich in seinem Innern und er spürte die Präsenz von Empfindungen, die er seit seiner Zeit an der Akademie nicht mehr wahrgenommen hatte. Er beschloss, sie zu identifizieren, zu analysieren und anschließend zu eliminieren. Um diesem Zweck gerecht zu werden, lenkte er seine Schritte in eine andere Richtung und näherte sich dem Kinderplatz.
Es waren etwa dreißig Jungen und Mädchen, ihr Alter reichte von sechs bis zwölf. Sie spielten Dak’lir, ein strukturiertes Spiel, das als Ventil für überschüssige Energie diente – oft brauchte der junge, undisziplinierte Geist so etwas, bevor er sich der Logik zuwenden konnte.
Es war ein schöner Tag. In der Ferne zeichneten sich die Berge vor einem klaren Himmel ab – an dem T’Khuts
drohende Präsenz fehlte – und die rote Wüste funkelte im Sonnenschein. Tuvok wählte solche Tage, um durch die
Kolonnade zu wandern und über die Disziplinen
nachzudenken. Als sein Blick nun über den Platz mit den unbändigen Kindern glitt – sie verhielten sich tatsächlich auf eine sehr ungehörige Weise –, fühlte er echten Ärger. Die Jungen und Mädchen hatten ihn bei seinen Überlegungen gestört. Ihre lauten Stimmen hinderten ihn daran, die Meditationen fortzusetzen.
Er trat näher an den Platz heran und hielt nach einem Aufsicht führenden Priester Ausschau, sah aber nirgends einen Erwachsenen, nur lärmende Kinder. Die Erkenntnis, dass die Jungen und Mädchen sich selbst überlassen waren, verstärkte seinen Ärger. Unglaublich! Wie konnte eine vernünftige Person zulassen, dass die Kinder die besinnliche Ruhe des Tempels so nachhaltig störten?
Er schritt den Kindern entgegen, ohne bewusst zu spüren, dass sein Herz schneller schlug und der Blutdruck stieg. Er fühlte sich verpflichtet, einen Fehler zu korrigieren.
»Ruhe!«, donnerte er und war ein wenig überrascht, als er das Erstaunen in den jungen Gesichtern sah, die sich ihm sofort zuwandten. Mit aufgerissenen Augen und offenem Mund
sahen ihn die Kinder an. Zufrieden stellte er fest, dass sie sofort gehorchten, wie es bei gut erzogenen vulkanischen Jungen und Mädchen der Fall sein sollte. Er fand, dass sie dafür ein Lob verdienten.
»Ihr habt euch sehr schlecht verhalten und könnt von Glück sagen, dass ich mich in der Nähe befand, um die Ordnung wiederherzustellen. Lobenswert ist, dass ihr meiner Anweisung sofort nachgekommen seid. Ich gehe davon aus, dass ihr von jetzt an nicht mehr solchen Lärm macht.« Tuvok richtete einen letzten strengen Blick auf die Kinder und wandte sich dann ab.
M’Fau stand direkt hinter ihm und musterte ihn neugierig.
Alter und Weisheit bildeten viele Falten in ihrem Gesicht, doch ihre dunklen Augen wirkten irgendwie zeitlos.
»Tuvok?«, fragte sie.
»Ich habe die Kinder gescholten, weil sie zu ausgelassen waren«, sagte er. Er sah nichts Ungewöhnliches in diesen Worten, doch M’Faus linke Braue kam ein wenig in die Höhe.
»Der zuständige Erwachsene war nicht zugegen, um sie zu kontrollieren. Sie sollten herausfinden, wer hier die Auffsicht führte, um die betreffende Person an ihre Pflichten zu erinnern.«
»Ich bin die zuständige Erwachsene«, erwiderte MTau eisig.
»Und ich habe die Kinder absichtlich sich selbst überlassen.
Das ist notwendig, damit sie lernen, sich zu beherrschen.«
»Ich verstehe.« Tuvok versuchte, ruhig zu sprechen, aber er hörte eine sonderbare Vehemenz in seiner Stimme. Woher stammte sie? »Ich bedauere meine Bemerkung. Die
Hintergründe der Situation waren mir nicht klar.«
Die Neugier in M’Faus Miene zeigte sich noch deutlicher.
Aus zusammengekniffenen Augen starrte sie ihn an. »Geht es dir gut, Tuvok? Du scheinst Fieber zu haben.«
Fieber? Tuvok hob die Hand zur Stirn und fand dort Schweiß.
Welche Erklärung gab es dafür? »Ich… ich weiß es nicht«, brachte er verwirrt hervor. »Ich werde mein Zimmer
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