Schicksalspfade
die Tuvok nie zuvor gesehen hatte. Der Sehlat und er wurden zu eifrigen Jägern und aßen, bis ihr Hunger ebenso gestillt war wie der Durst.
Der Regen fiel auch weiterhin, kam nicht mit einer
plötzlichen Flut, sondern in einem beständigen Strömen, das reinigte und kräftigte. Als Tuvok gegessen und getrunken hatte, streifte er die Kutte ab und stand nackt im Regen.
Primordiale, elementare Empfindungen regten sich in ihm.
Seine Vorfahren hatten in der Wüste gelebt, unbehindert von Kleidung, ohne Technik. Entbehrungen und Durst waren
bestimmende Faktoren ihres Lebens gewesen, doch manchmal, wenn der Regen kam, lernten sie Überfluss kennen. Tuvok fühlte eine Verbindung zwischen sich und den Ahnen, ein Band, das sich über Jahrtausende erstreckte, und damit einher ging ein Gefühl der Macht. Er glaubte plötzlich, Elemente zu berühren, von deren Existenz er bisher überhaupt nichts gewusst hatte.
Voller Kraft drehte er sich wie ein Tänzer und hob die Arme dem Himmel entgegen, in einem improvisierten Freudentanz.
Der Sehlat saß zufrieden in der Nähe und beobachtete den seltsamen Tanz des nackten Mannes, der dem Regen huldigte.
Vier Nächte später war die Euphorie über den Regen ebenso verdunstet wie die Feuchtigkeit auf dem Wüstenboden. Tuvok spürte weder Hunger noch Durst. Nach wie vor gab es viele kleine Geschöpfe, die noch nicht zu ihrem unterirdischen Leben zurückgekehrt waren; sie boten ihm und dem Sehlat genug Nahrung.
Aber T’Khut hing jetzt wieder am Nachthimmel und mit dem ominösen Erscheinen des Schwesterplaneten kehrten Tuvoks Zweifel zurück. Er hatte viel Zeit damit verbracht, durch die Wüste zu wandern – er wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war, aber es mussten mehrere Monate sein –, doch das Gefühl, tatsächlich etwas erreicht zu haben, blieb aus. Er sah Seleya, den heiligen Berg, der mit jeder Nacht ein wenig größer wurde, aber immer wieder fielen ihm die Worte ein, die er an den Sehlat gerichtet hatte. Welchen Unterschied machte es, wenn er sich dem Berg noch weiter näherte, sogar bis zu seinem Fuß gelangte? Nun, dann sah er mehr vom Seleya und durfte für sich in Anspruch nehmen, die Reise tatsächlich beendet zu haben. Aber was spielte das letztendlich für eine Rolle? Hatte er all die Mühen nur deshalb auf sich genommen, um schließlich sagen zu können, er habe das Ziel erreicht?
Es schien ein armseliger Lohn zu sein.
Der Seleya war in Reichweite, der Magen gefüllt, der Durst gestillt – Tuvoks Zweifel wuchs, wurde noch größer als zu jenem Zeitpunkt, als er an Hunger und Durst gelitten hatte.
Unruhe suchte ihn heim. Alles deutete darauf hin, dass seine Reise ohne Erleuchtung endete, ohne dass er Antworten auf seine Fragen fand.
Aber welchen Sinn hatte dann die lange Wanderung durch die Wüste? Er sah zum Sehlat, der ihm noch immer
Gesellschaft leistete, musste sich dabei erneut der Erkenntnis stellen, dass all diese seltsamen Ereignisse unerklärlich blieben. Die Antworten kommen von selbst, wenn es soweit ist, sagte eine Stimme in seinem Kopf. Nicht dann, wenn du entscheidest, dass sie kommen sollen. Es war ein beruhigender Gedanke und Tuvok beschloss, ihm zu vertrauen.
Er hatte diesen Beschluss gerade erst gefasst, als der Boden unter ihm erzitterte. Es war nur eine sehr leichte Erschütterung, die sich nicht wiederholte, als Tuvok eine ganze Minute lang stehen blieb. Schließlich ging er weiter, sah zu T’Khut empor und beobachtete Feuer speiende Vulkane. Er hielt es für angemessen, dass T’Khut während des letzten Abschnitts seiner Reise zu sehen war; dadurch schloss sich der Kreis.
Erneut zitterte der Boden, stärker diesmal. Der Sand kam in Bewegung. Einmal mehr blieb Tuvok stehen und begriff, dass es sich um ein Beben handelte. Wollte ihn die Natur der Wüste mit einem weiteren Phänomen konfrontieren? Dürre, Sturm, Regen… Und jetzt ein Beben. Er sah zum heiligen Berg am Horizont und stellte sich vor, wie auch der Seleya Feuer gen Himmel schleuderte.
Noch eine Erschütterung – Tuvok ging halb in die Hocke. Es fiel ihm schwer, auf dem in Bewegung geratenden Sand das Gleichgewicht zu wahren. Besorgt dachte er daran, dass sich Sand nicht durch Festigkeit oder Permanenz auszeichnete –
während eines Bebens konnte man sich kaum an einem
schlimmeren Ort aufhalten. Wenn die Erschütterungen heftig genug wurden, entstanden Löcher und tiefe Risse, in denen Tuvok versinken konnte, um unter Tonnen von Sand begraben zu werden. Er sah
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