Schicksalspfade
die lange,
beschwerliche Reise unternommen hatte: um dem
Verborgenen zu begegnen, dem A’kweth, dem Hüter des Wissens. Für einen kurzen, transzendentalen Moment hatte er jenes Wissen geteilt, und wenn das jetzt nicht mehr der Fall war, so gab es kaum etwas dagegen einzuwenden. Eine
einzelne Person war zu schwach, um das Gewicht von so viel Weisheit zu tragen. Eine halbe Sekunde totaler Erkenntnis hatte sich als überwältigend erwiesen; so etwas länger zu erfahren, musste zum Tod führen.
Tuvok hatte etwas Heiliges berührt und spürte Erfüllung. Er stand auf und setzte den Weg in Richtung Seleya fort, obgleich seine Reise beendet war. Sein Selbst hatte die Unendlichkeit empfangen und mehr konnte man sich nicht wünschen.
Zwei Tage später kam er aus der Wüste und erreichte den Fuß des Berges Seleya. Einige Vulkanier begrüßten ihn dort und musterten ihn mit unverhohlener Neugier. Tuvok ahnte nicht einmal, wie er nach einigen Monaten in der Wüste aussah, aber sein Anblick hatte ganz offensichtlich einen nachhaltigen Eindruck auf seine stoischen Landsleute, die so unsicher mit ihm sprachen, als hielten sie ihn für verrückt. Der Umstand, dass er vernünftig antwortete, schien sie zu erleichtern, und als sie von seinem Abenteuer hörten, sahen sie ihn fast ehrfürchtig an. Sie erkannten seine Leistung als einzigartig, als etwas, das sie niemals versuchen würden. Sie boten Tuvok an, ihn nach Hause zu bringen, sobald er dem heiligen Berg gehuldigt hatte.
Aber das war ihm jetzt nicht mehr wichtig. Tuvok hatte Entscheidungen getroffen. Er konnte nicht länger das Leben eines Asketen führen, musste dem Universum etwas
zurückgeben für das, was es mit ihm geteilt hatte. Seine Familie würde er nie aufgeben, denn sie vervollständigte ihn, aber er wollte beantragen, den Starfleet-Dienst
wiederaufzunehmen. Er hielt es für richtig, sein Leben der Forschung zu widmen, denn es galt, eine Schuld zu begleichen.
Für manche Leute wäre es schwer gewesen, noch einmal als Fähnrich anzufangen, aber Tuvok fand sich mühelos darin zurecht. Vor Jahren war es seine Entscheidung gewesen, Starfleet zu verlassen; dafür musste er jetzt die Konsequenzen tragen, nicht die Flotte.
So etwas wie Ungeduld empfand er nur in Hinsicht auf die Frage, wann er wieder den Dienst im All antreten konnte.
Starfleet hatte ihm einen Posten im Hauptquartier gegeben: Als taktischer Offizier unterstützte er dort die Tätigkeit der Prüfungskommission. Viele Monate verbrachte er damit, die Maßnahmen von Raumschiffkommandanten in Bezug auf
Waffen und Taktik zu überprüfen.
Diese Aufgabe erforderte es, selbst kleinste Details zu beachten, und dafür brachte er genau die richtigen
Voraussetzungen mit. Aber es war auch eine recht monotone Arbeit, die keine besonderen Herausforderungen für ihn enthielt. Sein Versprechen in der Wüste galt der Forschung, nicht der endlosen Analyse taktischer Logbücher.
Trotzdem akzeptierte er sein neues Einsatzgebiet ohne Klage, konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit darauf und arbeitete mit großer Sorgfalt, zur großen Freude seiner Vorgesetzten.
Sie waren sehr von seinen Leistungen angetan und Tuvok befürchtete, dass sie vielleicht beschlossen, ihn auf Terra zu behalten, bis er schließlich in den Ruhestand trat.
Die meisten von ihm vorgenommenen Überprüfungen waren reine Routine. Den Rang eines Captains bekamen für
gewöhnlich keine Personen, die gegen die Vorschriften verstießen. Tuvok ging hunderte von Logbüchern durch, die Musterbeispiele für Präzision und untadeligen Dienst
darstellten. In den meisten Fällen beschränkte er sich darauf, die entsprechenden Berichte mit einem »Genehmigt« zu
kennzeichnen.
Sein unmittelbarer Vorgesetzter war Admiral McGeorge
Finnegan, ein gut fünfzig Jahre alter mitteilsamer und gern lächelnder Mann mit dichtem rotem Haar, das an einigen Stellen graue Strähnen aufwies. Als Tuvok an einem grauen Nachmittag im November in seinem Büro saß und einige
Logbücher der U.S.S. Appalachia durchging, die gerade von einer Mission bei Barnards Stern heimgekehrt war, klopfte Admiral Finnegan an den Türrahmen und sah herein. In der einen Hand hielt er einen elektronischen Datenblock.
»Verschieben Sie die Appalachia auf später«, sagte er. »Wir haben hier eine erste Mission und Owen Paris höchstpersönlich hat darum gebeten, ihrer Überprüfung Priorität zu geben.«
Der Vulkanier hob die Brauen, als er diese Worte vernahm.
Es war alles andere als
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