Schicksalspfade
Potenzial. Es handelte sich um ein Guerilla-Schiff, dazu bestimmt,
wagemutige Vorstöße zu unternehmen, blitzartig zuzuschlagen und dann schnell wieder zu verschwinden. Chakotay nannte es Liberty und er fühlte sich zu Hause, als er zum ersten Mal an den Kontrollen saß.
Und dann lernte er Seska kennen.
Chakotay hörte sie, bevor er sie sah. Sweta hatte ihn nach Bajor geschickt, wo es nicht an bereitwilligen Rekruten für den Maquis mangelte: Bajoraner, die sich nach der langen
Besatzung durch die Cardassianer nichts sehnlicher wünschten, als Rache zu nehmen. Sweta hatte erfahren, dass eine Frau namens Seska zu diesen Leuten gehörte, und Chakotay sollte sie abholen.
Am Rand einer bajoranischen Stadt hatte es einst eine prächtige Arena gegeben, ein anmutiges Oval, in die Flanke eines Berges gemeißelt und gesäumt von großen Bäumen, deren Wipfel ein grünes Dach über den terrassenförmigen Sitzen bildeten. Die Bajoraner hatten die Arena als einen Schauplatz für ihre Künste und für die Rituale ihrer Propheten genutzt. Von den Cardassianern waren dort Hinrichtungen durchgeführt worden.
Jetzt lag die Arena in Trümmern.
An diesem Ort sollte Chakotay Seska treffen, wenn die Sonne unterging und das Zwielicht zwischen Tag und Nacht begann.
Als es so weit war, näherte er sich den Resten der Arena, die die Cardassianer vor ihrem Abzug zerstört hatten, wie so vieles andere auch. Am oberen Rand des Auditoriums ragten noch immer Säulen auf, stolze Überlebende auf einem Planeten, der für jedes Symbol des Mutes und der Unverwüstlichkeit
dankbar war.
Irgendwo hinter diesen Säulen sang eine Frau. Schwermütig klang die starke, raue Stimme durch den Dunst des
Sonnenuntergangs, dazu fähig, intensive Gefühle zu
vermitteln: Sehnsucht, Heldenmut, Verzweiflung,
Entschlossenheit. Die Melodie kannte Chakotay nicht. Einige Minuten lang blieb er stehen, hörte der Stimme zu und spürte, wie sie seine Sinne fesselte.
Als sie verklang, fühlte er sich plötzlich klein, von der Intensität des Lieds gedemütigt. Er trat vor, näherte sich den Säulen und dann sah er sie. Hoch aufgerichtet stand sie da und blickte dorthin, wo die Sonne untergegangen war. Mit einer, fast greifbaren Konzentration beobachtete sie den Himmel, an dem es orangefarben und rosarot glühte. Sie schien eins mit ihm zu sein und Chakotay schwieg, um sie nicht zu stören und die Heiligkeit dieses Augenblicks zu bewahren.
Schließlich drehte sich die Frau um. Ihr Gesicht war so ausdrucksstark wie die Stimme und auf die gleiche Weise schön, wie kraftvolle Tiere schön sind. Das schwarze Haar reichte nach hinten und bildete eine Art Mähne. In den dunklen Augen glühte eine Art inneres Feuer.
»Du bist Chakotay«, sagte sie schlicht und er nickte. »Ich bin Seska.«
Dann trat sie auf ihn zu, schlang ihre muskulösen Arme um seinen Hals und küsste ihn auf den Mund.
Es war der aufregendste Moment seines Lebens: der
unglaublich farbenprächtige Sonnenuntergang, dessen
orangefarbene Töne allmählich in dunkleres Purpur
übergingen; die stolze Stimme, die wie herausfordernd gesungen hatte; und der Schmerz, der ihnen beiden von Cardassia zugefügt worden war. Blitze zuckten zwischen ihnen, ließen die schwelende Glut der Erotik zu einem lodernden Feuer der Lust werden.
Eine Stunde später stritten sie heftig darüber, ob sie bei ihrem ersten gemeinsamen Flug ins Raumgebiet der Cardassianer vorstoßen sollten.
So wurde ihre Beziehung geboren, aus Begierde,
Notwendigkeit und Konflikt, und auf diese Weise setzte sie sich fort. Bis Chakotay begriff, dass er kein Raumschiff kommandieren und gleichzeitig eine Affäre mit einem
Besatzungsmitglied haben konnte. Aber bis dahin dauerte es noch erstaunlich lange.
Als Maquis tötete er zum ersten Mal mit bloßen Händen.
Chakotay und seine Crew – inzwischen bestand sie aus
fünfzehn abgehärteten, gut ausgebildeten Kämpfern – hatten gehört, dass Cardassianer auf einem unbewohnten Planeten in der entmilitarisierten Zone gelandet waren. Offenbar wollten sie dort eine Kolonie gründen, was auf einen klaren Verstoß gegen die Vereinbarung mit der Föderation hinauslief.
Chakotay wollte dafür sorgen, dass die Cardassianer ihre Entscheidung bereuten.
Sie erfuhren, dass die cardassianische Gruppe aus nicht mehr als zwanzig Personen bestand; ihr Lager befand sich in einem tropischen Wald der südlichen Hemisphäre. Wie üblich stritten Chakotay und Seska über die zu ergreifenden
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