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Schicksalspfade

Schicksalspfade

Titel: Schicksalspfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeri Taylor
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dummerweise geweigert, vorhandene
    Nahrung zu sich zu nehmen. Ihre persönlichen Aversionen bestimmten, was Sie aßen und was nicht. Dieser Umstand führte zu mangelhafter Ernährung, was Schwäche und
    Desorientierung zur Folge hatte. Sie müssen alles essen, so abscheulich es Ihnen auch erscheinen mag, denn selbst eine verlorene Mahlzeit kann Sie über Wochen hinaus Kraft kosten.
    Wenn Sie überleben wollen, müssen Sie essen, ganz gleich was.«
    Harry nickte einmal mehr. »Ja, Sir«, brachte er hervor. Zwar war er größer als Nimembeh, aber er fühlte sich wie ein kleiner Junger, der in die Augen seines Vaters sah. Allerdings hatte ihn sein Vater nie auf diese Weise gegeißelt. Er hatte ihn nie getadelt, ihn nie erniedrigt oder gedemütigt. Die
    Ungerechtigkeit der ganzen Sache ließ seine Augen brennen, doch die Vorstellung, vor Nimembeh zu weinen, erschien ihm so demütigend, dass die Tränen verschwanden. Inzwischen hatte der stählerne Griff an seinem Handgelenk die Finger taub werden lassen.
    »Sir, ich habe das Gefühl aus den Fingern verloren«, sagte er und hoffte, dass seine Stimme genug Respekt zum Ausdruck brachte.
    »Ihre Finger gehören mir, Kadett. Sie gehören mir. Und Sie sollen wissen, dass Sie zu einem speziellen Projekt für mich geworden sind. Wenn Sie sich von jetzt an umdrehen, werde ich vor Ihnen stehen. Wenn Sie Ihren Computer einschalten, erwartet Sie eine Nachricht von mir. Wenn Sie sich einige Tage freinehmen wollen, eine andere Unterkunft wünschen oder sich einfach nur die Nase putzen möchten – erst müssen Sie mich um Erlaubnis bitten.«
    »Ist… ist das möglich Sir?«
    »Und ob.«
    Erschöpfung und Schmerz schwächten Harry. Was
    Nimembeh ihm gerade beschrieben hatte, war so schrecklich, dass ihm nur ein Gedanke Trost spendete: Er konnte die Akademie jederzeit verlassen.
    Der Commander schien zu erraten, was ihm durch den Kopf ging.
    »Wenn Sie jetzt daran denken, die Akademie zu verlassen…
    Nur zu. Werden Sie zu einem Opfer und Drückeberger.
    Niemand würde Sie vermissen.«
    Harry blickte auf die inzwischen angeschwollenen Finger hinab. Es schienen die Gliedmaßen eines ganz anderen Wesens zu sein, eines fremden Geschöpfs, das Anspruch auf das Ende seines Arms erhoben hatte. Plötzlich fiel ihm seine Mutter ein und er stellte sich ihre Reaktion vor, wenn er jetzt die Akademie aufgab.
    Er sah Nimembeh an.
    »Ja, Sir. Ich gehöre Ihnen. Lassen Sie mich jetzt los?«
    Einige angespannte Sekunden verstrichen und dann zog
    Nimembeh seine Hand zurück. Harrys Arm fiel nach unten. Er widerstand der Versuchung, die Finger mit der anderen Hand zu reiben – er wollte keine Schwäche zeigen, die Nimembeh dazu veranlassen mochte, noch weniger von ihm zu halten.
    Vorsichtig streckte er sie und spürte, wie das Blut in sie zurückkehrte, begleitet von stechendem Schmerz.
    »Melden Sie sich am Montagmorgen um sechs Uhr bei mir.
    Dann legen wir Ihr Ausbildungsprogramm fest.«
    Nimembeh drehte sich abrupt um und ging fort, hoch
    aufgerichtet und stolz. Harry sah ihm nach und erlaubte es sich nun, die schmerzenden Finger zu massieren. Gab es irgendeine Möglichkeit, Einspruch gegen das vom Commander geplante Programm zu erheben? Er fragte sich, ob er mit seinem Gruppenführer oder dem akademischen Berater darüber reden sollte. Ein derartiger Albtraum musste sich doch irgendwie vermeiden lassen.
    Harry stellte bald fest, dass es keinen Sinn hatte, gegen Nimembehs Pläne Einspruch zu erheben. Ein derartiges
    »Sonderprogramm« war an der Akademie keineswegs
    außergewöhnlich. In jedem Jahr gab es mehrere Kadetten, die so etwas absolvieren mussten. Der einzige Ausweg bestand darin, die Akademie zu verlassen, und Harry wollte lieber Nimembeh ertragen, als seiner Mutter mit einer solchen Nachricht gegenüberzutreten.
    Er sprach mit George darüber, der die für ihn typische Anteilnahme zeigte. »Ich begreife einfach nicht, wie so etwas passieren konnte«, stöhnte Harry. »Mein Stundenplan, das Sportprogramm, meine Aktivitäten außerhalb des Unterrichts, meine Freizeit – alles hängt von ihm ab. Er hat Recht: Ich kann mir nicht einmal die Nase putzen, ohne vorher seine
    Genehmigung einzuholen.«
    »Die Sache ist mir ein Rätsel. Warum hat er ausgerechnet dich herausgegriffen? Ich könnte es verstehen, wenn es dir an Disziplin mangelte. Aber du bist der perfekteste Kadett, den ich kenne.«
    Harry lächelte. Solche Bemerkungen konnte man von George erwarten und sie waren genau das, was sein

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