Schicksalspfade
Fußknöcheln, Knien und Ellenbogen sprang er hin und her. Mit den Armen schirmte sie ihn vor Verteidigern ab, denn die anderen Kinder folgten ihr bestimmt und würden versuchen, ihr den Ball abzunehmen.
B’Elanna erreichte die gegenüberliegende Seite des
Spielfelds und auf einmal begriff sie, dass ihr niemand folgte.
Sie trat ins Square, drehte sich dann um und sah in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Die anderen Kinder standen noch immer dort, wo sie den Ball verloren hatten, vierzig Meter entfernt. Sie sahen zu B’Elanna, machten aber keine Anstalten, ihr zu folgen.
Sie schenkten ihr keine Beachtung. B’Elanna war niemand.
Sie existierte nicht einmal.
Sie spürte, wie ihr das Blut in die Stirnhöcker schoss – das verabscheute B’Elanna, denn wenn sie rot waren, sahen sie noch schlimmer aus als sonst. Ihre Fingernägel bohrten sich in die Handballen, als sie versuchte, ruhig zu bleiben und sich nicht zu gedemütigt zu fühlen. So beiläufig wie möglich brachte sie den Ball übers Spielfeld, hielt den Rücken dabei gerade und trachtete danach, würdevoll zu wirken.
Als sie sich den anderen Mädchen näherte, verrieten ihre Gesichter keine deutbaren Emotionen. Sie warf ihnen den Ball zu. »Ich schätze, jemand hat die Kontrolle über ihn verloren«, sagte sie und beobachtete, wie die Mädchen versuchten, den eigenwilligen Ball einzufangen. Dann wandte sie sich ab und ging fort.
Nur einige wenige Meter trennten sie von der Gruppe, als jemand flüsterte: »Ich finde die Knochen an ihrem Kopf grässlich.« Von wem auch immer diese leisen Worte
stammten: Das betreffende Mädchen wusste offenbar nicht, dass Klingonen viel besser hörten als Menschen.
Ihre Mutter erzählte noch immer, aber der veränderte Tonfall wies B’Elanna darauf hin, dass das Ende der Geschichte unmittelbar bevorstand. »Und so kam Kahless aus der Wildnis und kehrte in die Welt zurück. Er entschied, bei dem Volk zu leben, das er führen sollte, auch wenn es bedeutete, dass ihm die anderen Schmerzen zufügten. Das lernte er von der Schlange Shrika.«
B’Elanna sah auf und begegnete dem Blick ihrer Mutter, die festzustellen versuchte, welche Wirkung ihre Worte erzielt hatten. Dann kniete Prabsa sich hin, wodurch sich ihr knochiges Gesicht plötzlich auf einer Höhe mit dem der Tochter befand. Sie lächelte und ihre spitz zulaufenden Zähne schienen immer länger zu werden. B’Elanna wich zurück.
»Hast du verstanden, was Kahless gelernt hat?«, fragte ihre Mutter. »Ein Klingone kann sich nicht vor seinem Schicksal verbergen. Wenn man sich seinen Ängsten stellt, so kann man sie überwinden. Aber wenn man ihnen zu entkommen
versucht, so gewinnen sie an Macht. Verstehst du das?«
B’Elanna hörte nur leere Worte, aber sie nickte trotzdem und hoffte, dass sich ihre Mutter damit zufrieden gab. Einige Sekunden lang musterte Prabsa sie stumm, griff dann nach ihren Schultern. »Ich lasse nicht zu, dass du schwach bist, B’Elanna. Alles was ich dir mitgeben kann, ist ein Gespür für deine eigene Kraft – und das werde ich bestimmt tun.«
Ihre Mutter verstand nicht. B’Elanna wollte gar nicht ihre klingonische Kraft finden. Sie wollte getröstet werden –
immerhin war sie nur ein kleines Mädchen.
»Wir veranstalten eine Party«, sagte Prabsa. »Lade deine Klassenkameraden ein. Wir gehen zum See. Zeig ihnen, dass du dich nicht einschüchtern lässt.«
Eine Party? Entsetzen erfasste B’Elanna, verdrängte alles andere. Etwas Schlimmeres konnte sie sich nicht vorstellen.
Warum sträubte sich ihre Mutter gegen die Erkenntnis, dass die menschlichen Kinder nichts mit ihr zu tun haben wollten?
Welchen Sinn hatte es, sie zu einer Party am See einzuladen?
Es würde niemand kommen.
Ihre Mutter stand auf. »Sag mir nur, mit wie vielen Gästen zu rechnest. Und du kannst das Essen auswählen.«
Sanft zog Prabsa das Tuch von B’Elannas Kopf und strich ihr Haar von der Stirn zurück. »Du bist so ein hübsches
Mädchen«, sagte sie. »Versteck deine Schönheit nicht.«
Und damit ging sie. Voller Verzweiflung drückte B’Elanna Gato an sich. Sie wollte auf keinen Fall weitere Demütigungen riskieren, indem sie versuchte, eine Party zu organisieren.
Nein, ausgeschlossen.
Aber sie wusste auch, dass ihre eigenen Wünsche dabei keine Rolle spielten. Ihre Mutter würde die Sache selbst in die Hand nehmen und sich mit Einladungen an die Eltern wenden, die natürlich zu höflich waren, um abzulehnen. Das Ergebnis bestand aus
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