Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
am Arm packen, doch der wich zurück.
»Wenn der da mich noch einmal anrührt, setzt’s was.«
»Ach ne, ich hör wohl nicht recht. Biste scheu wie ’ne Klosterschwester geworden?« Kalle lachte. »Vor deinen Prügeln hab ich keine Angst.«
»Lass ihn!« Simon legte eine Hand auf Kalles Schulter. »Er wird uns schon nicht ausbüxen. Und wenn, dann bin ich schneller als er.«
Magnus schnaubte. »Das glaubst auch nur du.«
»Willste jetzt Ärger machen, Jung?« Kalle trat einen weiteren Schritt vor. »Den kannste haben.«
»Aber dann werdet ihr nicht mehr rechtzeitig euren Claas treffen.« Ein spöttisches Lächeln huschte über Magnus’ Lippen. Kalle sah so aus, als suche seine Faust gleich Bekanntschaft mit Magnus’ Nase, aber Simon hielt den Schmuggler abermals zurück.
»Lass ihn, er will uns nur reizen. Na, dann komm, Magnus! Wir haben schließlich eine Verabredung.«
Der junge Däne trat tatsächlich aus dem Schuppen hervor. Simon ließ keinen Blick von seinem Vetter, achtete genau auf jede seiner Bewegungen, aber Magnus machte keine Anstalten, ihnen davonzulaufen. Simon wurde unsicher. Dem offenen Hass, den Magnus ihm entgegenbrachte, begegnete er inzwischen mit Gleichmut, aber diese scheinbare Unterordnung wusste er nicht einzuschätzen. Plante Magnus einen Hinterhalt? War seine Fügsamkeit nur gespielt? Oder stand er zu seinem Wort?
Schweigend führte er sie in Richtung des Hohen Ufers, vorbei an Seyfrieds Hof. Ob Seyfried Claas und Magnus hier beobachtet hatte?
»Ist es noch weit?«, wollte Kalle wissen.
»Wieso? Hast du’s an den Füßen?«, gab Magnus frech zurück.
»Ne, aber du hast gleich heiße Ohren!«
»Hört auf damit!« Simon warf Magnus einen strengen Blick zu. »Nun sag, wo hast du dich immer mit ihm getroffen?«
»Da vorn.« Magnus deutete auf ein Wäldchen oberhalb der Steilküste.
»Kein übler Platz«, gab Kalle zu. »Da können wir uns gut verstecken.«
Sie warteten vergebens. Claas kam nicht. Simon wusste nicht recht, ob er enttäuscht sein sollte, denn tief in seiner Seele hatte er nichts anderes erwartet. Der Stadtrat hatte nicht einmal der Beisetzung seiner angeblich so geliebten Frau heimlich beigewohnt. Warum sollte er sich jetzt noch mit einem dänischen Spion treffen? Vermutlich war er längst über alle Berge.
»Und nu?«, fragte Kalle, nachdem sie ihren Beobachtungsposten aufgegeben hatten. »Wann kommen deine anderen Freunde?«
»Sie sind nicht meine Freunde.«
»Na, dann eben deine Landsleute.«
»Sie kommen erst bei völliger Dunkelheit.«
Die Männer blickten nach oben. Die Sonne stand als blutrote Scheibe am Horizont. Bis zum Einbruch der Nacht würde noch einige Zeit vergehen.
»Geh’n wir noch mal zu Hinrich«, schlug Kalle vor. »Nach dem langen Warten könnt ich ’ne anständige Mahlzeit vertragen.«
Simon lachte. »Aber pass auf, dass du dann nicht zu träge für die Dänen wirst.«
Magnus schnaubte verächtlich.
Natürlich wurden sie in Hinrichs Haus mit Spannung erwartet. Alle hatten sich in der Küche eingefunden, um den Bericht ihrer Gefährten zu hören. Kalle wollte Magnus wieder im Schuppen einsperren, doch Simon hielt ihn zurück. »Lass ihn hier, er türmt schon nicht.« Er wies Magnus einen Stuhl am Küchentisch an.
Der zögerte. »Ich weiß nicht, ob ich den Schuppen nicht doch lieber deiner Gesellschaft vorziehen sollte.«
»Aber nicht meiner!«, rief Barbara. »Setz dich zu mir, Magnus.«
Seiner Base gegenüber verhielt sich Magnus deutlich wohlwollender und kam ihrem Wunsch sofort nach. Jannick runzelte aus irgendeinem Grund die Stirn, und Barbara wich seinem Blick aus, ganz so, als sei etwas zwischen ihnen vorgefallen.
»Claas ist nicht gekommen, ne?«, fragte Kapitän Hinrich.
»Nein«, bestätigte Simon. »Der hat sich vermutlich längst nach Dänemark abgesetzt.«
Marieke stellte gesäuertes Wasser, Milch, Brot und Käse auf den Tisch. Kalle langte sogleich zu.
»Ich versteh’s immer noch nicht«, seufzte Brida, die neben ihrem Vater saß. »Warum hat Claas so etwas getan? Er war jahrelang ein Freund der Familie.«
»War er schon immer so verrückt wie jetzt?«
Magnus’ Frage ließ Simon aufhorchen.
»Wie kommst du darauf, dass er verrückt ist?«
»Als ich ihn das letzte Mal traf, war er schon dort. Und er sprach mit jemandem. Ich wartete, bevor ich mich zeigte, ich wusste ja nicht, wer bei ihm war.«
»Und wer war es? Der Seyfried?«
Magnus schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist ja das Verrückte. Er redete
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