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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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waren die Spuren der Gewalt zu sehen, Prellungen, allmählich aufblühende blaue Flecken.
    Als sie fertig war, reichte sie ihm eines der Hemden ihres Vaters. Es war dunkelblau mit einem Schnürkragen. Eines von denen, wie er sie immer auf großer Fahrt getragen hatte. Das Hemd passte Erik, als wäre es für ihn geschneidert worden. Wieder trafen sich ihre Blicke. Und wieder senkte sie die Lider, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden.
    »Ihr wolltet erzählen, woran Euch die Mäuse erinnert haben«, sagte sie.
    »Das Ungeziefer«, schnaubte Marieke.
    Erik lächelte. »Du bist zu streng, Marieke. Als ich das Mäusenest entdeckte, kam mir eine Erinnerung aus meiner Kindheit. Ich muss wohl so neun oder zehn Jahre alt gewesen sein, da fand ich in einer versteckten Ecke unserer Speisekammer ein solches Mäusenest. Die Jungen hatten schon Fell, sahen fast aus wie erwachsene Tiere, nur kleiner. Ich habe eins in die Hand genommen, um damit zu spielen. Als jemand in die Speisekammer kam, habe ich mich versteckt, ich hatte dort nämlich nichts zu suchen. Die Kammer war voll mit Leckereien für den Nachmittag. Es war der Hochzeitstag meines Bruders. Die kleine Maus habe ich unter mein Hemd gesteckt und mitgenommen. Das nächste Bild, an das ich mich erinnere, ist der Augenblick, als sie mir kurz vor der Trauung entwischte. Vor den Augen der Braut, die in lautes Gezeter ausbrach. Mein Bruder hat darüber gelacht, woraufhin sie noch wütender wurde und er beschwichtigend die Hände hob und sagte: ›Elisabeth, es ist doch nur eine kleine Maus. Nur eine kleine Maus.‹ Es hat ziemlich lange gedauert, bis sie sich wieder beruhigte.«
    Marieke kicherte, und auch Brida musste schmunzeln.
    »Das Seltsame an dieser Erinnerung ist die Tatsache, dass mein Bruder Deutsch mit ihr sprach«, fuhr Erik fort. »Als ich von ihm träumte, rief er mich hingegen auf Dänisch.«
    »Ihr habt also schon als Kind beide Sprachen beherrscht?«, fragte Brida.
    Erik nickte.
    »Und Eure Schwägerin heißt Elisabeth?«
    »Ja, da bin ich mir ganz sicher«, antwortete er.
    »Claas erzählte uns, dass es in Vordingborg auch wohlhabende Kaufmannsfamilien gebe, deren Heiratspolitik vor dem Krieg bis nach Rostock und Lübeck gereicht habe. Er äußerte den Verdacht, dass Ihr einer solchen Verbindung entstammen könntet. Das würde erklären, warum Ihr beide Sprachen fließend beherrscht.«
    Da war er wieder, dieser nach innen gekehrte Blick, den er immer zeigte, wenn er nach Antworten suchte.
    »Das könnte möglich sein«, murmelte er schließlich.
    »Könnt Ihr Euch erinnern, wo die Hochzeit Eures Bruders stattfand? Auf dem Gut Eures Großvaters? Oder in einer anderen Stadt?«
    Wieder dieser Blick, dann Kopfschütteln.
    Schritte vor der Tür. Der Wächter kam, um nach ihnen zu sehen.
    »Wollt Ihr noch lange hierbleiben?«, fragte er Brida. »Es wird schon dunkel.« Sein Blick streifte die Köstlichkeiten auf dem Tisch, die Brida aus dem Korb hervorgeholt hatte. Marieke war seinem Blick gefolgt.
    »Da lässte man schön die Finger von, sonst gibt’s Ärger, haste mich verstanden?«
    »Was unterstellst du mir eigentlich?«, empörte sich der Mann. »Ich bin immer korrekt!«
    »Na, dann ist ja gut.«
    Brida erhob sich.
    »Ich versuche, morgen wiederzukommen«, sagte sie zum Abschied. »Und macht Euch keine allzu großen Sorgen. Mein Vater hat versprochen, zu schauen, was er für Euch tun kann.«
    »Ihr habt schon mehr als genug getan, Jungfer Brida. Ich danke Euch.« Er schenkte ihr trotz seines zerschlagenen Gesichts ein Lächeln, so voller Wärme, dass ihr ein wohliger Schauer über den Rücken lief. Er war nicht nur äußerlich ein wohlgestalteter Mann. Sein Wesen war ihr noch viel angenehmer. Hastig schüttelte sie ihre plötzliche Unsicherheit ab.
    »Bis morgen«, sagte sie und hoffte, dass es stimmte und man sie tatsächlich wieder zu ihm lassen werde.
    »Was für ’n Pack«, schimpfte Marieke und schwenkte den leeren Korb wütend hin und her, während sie nach Hause gingen. »Ihn so zuzurichten. Der Seyfried, der soll mir nicht noch mal unter die Augen kommen. Der kriegt’s mit der Mistforke, und die ist noch zu gut für ihn.«
    Trotz der bedrückten Stimmung musste Brida lachen. Marieke sprach ihre eigenen Gedanken aus.
    »Immerhin lebt er, und Vater wird sich drum kümmern, ihn da herauszuholen.«
    »Aber wird der Herr Käpt’n das schaffen? Ich mein, wenn’s jetzt ums Lösegeld geht?«
    Brida antwortete nicht. Genau das war ihre Sorge.

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